»Ich betreibe Forschung für etwas, das am Ende gut für Bevölkerung und Natur ist«

Interview /

Grüner Wasserstoff entsteht, wenn Wasser via Elektrolyse und mit Hilfe erneuerbarer Energien gespalten wird. Diese elektrochemische Gewinnung ist zwar CO2-neutral, aber im Vergleich zur fossilen Konkurrenz nur in Nischen wirtschaftlich. Einer der Gründe: Die Komponenten einer Elektrolysezelle sind teuer – allen voran die meist edelmetallhaltigen Katalysatoren. Die Suche nach kostengünstigen und reichhaltig vorhandenen Ersatzmaterialien steht im Fokus vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer UMSICHT. David Tetzlaff, Doktorand in der Abteilung Elektrosynthese, gewährt im Interview Einblicke in die Forschungsarbeit.

David Tetzlaff
David Tetzlaff, Doktorand in der Abteilung Elektrosynthese am Fraunhofer UMSICHT.

Zum Einstieg: Wie funktioniert so eine Elektrolyse?

David Tetzlaff: Im Grunde ist die Elektrolyse ein Wunderwerk feinster Ingenieurskunst – bestehend aus zwei Halbreaktionen. Mit Hilfe von elektrischem Strom werden chemische Verbindungen aufgespalten. Da gibt es ein sehr einfaches Schulexperiment zu: Man steckt zwei Elektroden in ein Becherglas mit Wasser und legt eine Spannung an. Ist die Spannung groß genug, sieht man an den Elektroden Bläschen aufsteigen. Hierbei entsteht an der Anode Sauerstoff, an der Kathode Wasserstoff. Beide entstehen volumentechnisch im Verhältnis von 2:1 – also zwei Teile Wasserstoff und ein Teil Sauerstoff, vormals H2O.

Technisch allerdings ist dieser Vorgang recht ineffizient. Man spricht von sogenannten Überspannungen, die besonders bei gasbildenden Reaktionen vorhanden sind. Dabei spielen kinetische Prozesse eine Rolle und führen dazu, dass die Elektrolyse zum einen sehr energieintensiv ist und zum anderen auch relativ viel Energie verloren geht. Unser Ziel am Fraunhofer UMSICHT ist es, die Elektrolyse so frei von Verlusten wie möglich zu gestalten.

Da spielen Katalysatoren eine große Rolle.

David Tetzlaff: Katalysatoren helfen dabei, die Überspannung zu reduzieren. Platin beispielsweise ist ein hervorragender Katalysator, um Wasserstoff herzustellen. Allerdings wird Platin eben nicht nur für die Energiewende gebraucht: Das Metall ist auch in anderen Bereichen sehr gefragt – u.a. in der Medizin, wo es in Krebsmedikamenten zur Anwendung kommt. Meine Forschung dreht sich daher um die Frage, welches kostengünstige und reichhaltig vorhandene Material ähnlich gut als Katalysator performt.

Und wie ist der aktuelle Stand dieser Suche?

David Tetzlaff: In unserer Arbeitsgruppe haben wir uns auf die Sulfide spezialisiert, und mein Hauptaugenmerk liegt auf der Materialklasse Pentlandit. Klassischerweise ist das ein Metallsulfid bestehend aus Eisen, Nickel und Schwefel. Das Besondere an dem Material: Von der Struktur her hat es eine relativ gute Vergleichbarkeit zu natürlich vorkommenden Enzymen, genauer: zu Hydrogenasen, die die Reduktion von Protonen zu molekularem Wasserstoff katalysieren.

Pentlandite kommen auch in der Natur vor. Allerdings sind sie mit Silikaten verunreinigt, die elektrisch nicht leitfähig sind und daher in der Elektrolyse stören. Deshalb hat mein Vorgänger, der sich dieses Forschungsthema als erster vorgenommen hat, Pentlandite künstlich hergestellt. Dabei wurden die Elemente Eisen, Nickel und Schwefel in verschiedenen Verhältnissen vermischt und im Ofen bei 1000 °C erhitzt. Herausgekommen ist ein Stein, der anschließend im Mörser vermahlen wurde. Um dieses Material als Elektrodenmaterial zu verwenden, wurde dieses pelletiert und in einen Stab geklebt, der wiederum über einen Messingstab kontaktiert wurde. Beim Einsatz in der Elektrolyse wurde dann festgestellt, dass sich in dieser Materialklasse die beste Performance erreichen lässt, wenn Eisen und Nickel im gleichen Verhältnis vermischt wurden.

Das Problem: In der Industrie kommen Stabelektroden nicht zum Einsatz, weil sie sehr ineffizient sind. Stattdessen wird dort auf die PEM-Elektrolyse gesetzt, wobei die Buchstaben für »Proton Exchange Membrane« oder »Polymer Electrolyte Membrane« stehen. Dort sind Anode und Kathode sehr nah beieinander und nur durch eine Membran getrennt, wodurch Widerstände auf ein Minimum reduziert werden können. An der Anode wird das Wasser oxidiert, sprich: in Sauerstoff und Protonen gespalten. Diese Protonen wandern über die Membran zur Kathode, werden dort reduziert, und es entsteht Wasserstoff.

Die Anforderung an den Katalysator bei diesem Aufbau sind hier deutlich höher als bei der Stabelektrode. Während es bei einer Stabelektrode nur um die reinen Materialeigenschaften geht, spielen bei der PEM-Elektrolyse vor allem auch Partikelgrößen eine wichtige Rolle. Je kleiner die Partikel sind, desto größer ist auch die aktive Oberfläche und desto höher ist auch meine Aktivität. Und genau das ist der Transfer, an dem ich arbeite: Wie kann ich das Material mit möglichst kleinen Partikelgrößen herstellen?

Das heißt, Du setzt nicht auf Ofen und Mörser?

David Tetzlaff: Genau, ich musste mich mehr oder weniger von der Hochtemperatursynthese lösen. Im Allgemeinen gibt es zwei Wege zu kleinen Partikeln zu kommen. Der schon beschriebene Weg des Kollegen führt zwar zu kleinem Material, aber die konkrete Größe liegt im Bereich von einigen Mikrometern – und das Ziel sollte eigentlich der Nanobereich sein. Deshalb habe ich mich für den Bottom-up-Weg, genauer gesagt eine direkte Synthese mithilfe einer Kugelmühle, die wir im Labor stehen haben, entschieden. Die Elemente werden inkl. Mahlkugeln in spezielle Mahlbecher vorgelegt und in die Kugelmühle eingesetzt. Durch Rotation der Hauptscheibe, in der die Mahlbecher sitzen, und der Rotation der Mahlbecher selbst stoßen die Kugeln solange gegen das Pulver bis es zur Reaktion kommt.

Nachdem diese Synthese vor zwei Jahren das erste Mal im Labor durchgeführt wurde, haben mein Mit-Doktorand Jorgo Pellumbi und ich eine Parameterstudie gemacht: Was passiert, wenn wir unterschiedlich viele Kugeln nehmen? Was passiert, wenn wir die Dauer des Mahlprozesses verändern? Wie klein werden die Partikel? Wie groß ist der Abrieb? Und ganz wichtig: Wie ist die Performance dieses Materials im Vergleich zum Platin? Das war dann auch der letzte Teil der Studie, die wir vergangenes Jahr im November veröffentlicht haben.

Und kann das neue Material mit Platin mithalten?

David Tetzlaff: Ehrlich gesagt bin ich davon überzeugt, dass es kein Material geben wird, das bei der Wasserstoff-Elektrolyse so gut performt wie Platin. Die Frage ist: Wie gut kommen wir an das Platin heran? Und unsere Studie hat gezeigt, dass unser Material schon sehr nah herankommt. Das sind natürlich auch nur erste Ergebnisse gewesen, und ich bin zuversichtlich, dass es auch noch besser geht.

Hast Du Dir denn für die Doktorarbeit ein bestimmtes Ziel mit Blick auf die Performance des Materials gesetzt?

David Tetzlaff: Einen konkreten Wert habe ich jetzt nicht vor Augen. Meine Limitierung liegt in dem, was die Kugelmühle hergibt, also der Partikelgröße. Aktuell schaue ich mir im Rahmen einer weiteren Parameterstudie an, wie klein ich das Material überhaupt herstellen kann. Dabei konzentriere ich mich zunächst nur auf ein Material – quasi einen Benchmarkpentlanditen. Der nächste Schritt wäre, dass ich mir andere Metallkombination vornehme und diese mit optimierten Partikelgrößen herstelle und anschließend für die Wasserstoffentwicklung teste.

Hat Dich das Thema Katalysator schon in Deiner Zeit vor UMSICHT beschäftigt?

David Tetzlaff: Tatsächlich ja. Ich habe an der Ruhr-Universität Bochum Chemie studiert. Auf der Suche nach einem Thema für die Bachelorarbeit bin ich bei der Katalyse gelandet – einem sehr wichtigen Thema. Jedenfalls haben wir bereits im Grundstudium gelernt, dass 90 Prozent aller Produkte, die auf dem Markt landen, irgendeinen Katalyse-Schritt miterlebt haben. Das ist schon recht viel. Gestartet bin ich allerdings mit der homogenen Katalyse, bei der die Reaktion entweder nur in der Flüssig- oder nur in der Gasphase stattfindet. Bei der heterogenen Katalyse sind mehrere Phasen beteiligt, was den Vorteil hat, dass der Katalysator am Ende sehr leicht vom Gesamtsystem getrennt werden kann. Um bei dem Beispiel mit den beiden Stäben im Becherglas zu bleiben: Ich lege meinen Strom an, der Wasserstoff entsteht, ich kann die Stäbe wieder rausnehmen und habe eine perfekte Trennung. Bei der homogenen Katalyse löst man den Katalysator in einem Lösemittel und lässt dort die ganze Reaktion stattfinden. Wenn man da den Katalysator wieder rausnehmen möchte, ist das schon relativ aufwändig.

Während meiner Bachelorarbeit habe ich mich also mit der Katalysatorsynthese in der homogenen Fraktion beschäftigt. Und dabei ist mir aufgefallen, dass viele Doktorandinnen und Doktoranden immer davon gesprochen haben, dass sie nach Abschluss der Promotion auf jeden Fall raus aus der Forschung und in die Industrie wollen. Die meisten von ihnen kennen allerdings nichts als die Uni. Deshalb habe ich mir vorgenommen, schon während meines Studium an Industrieerfahrung zu kommen. Also habe ich für ein halbes Jahr ein freiwilliges Praktikum bei der Covestro Deutschland AG absolviert und anschließend stand auch für mich fest: Ich möchte nach dem Studium in die Industrie.

Allerdings hieß das, dass ich mich umorientieren musste. Zwar gibt es homogene Katalysen in der industriellen Anwendung, aber leider nicht in der Elektrochemie. Also habe ich die heterogene Elektrolyse ins Zentrum sowohl meiner Masterarbeit als auch meiner Promotion gestellt. Beides übrigens betreut von Ulf-Peter Apfel, der sowohl Professor an der Ruhr-Universität Bochum als auch Leiter der Abteilung Elektrosynthese am Fraunhofer UMSICHT ist.

Was hat Dich so von der Industrie überzeugt?

David Tetzlaff: Schlicht und ergreifend der Anwendungsbezug. Und das ist auch einer der Gründe, warum ich heute am Fraunhofer UMSICHT bin: Hier wird mit einem bestimmten Ziel geforscht. Ich weiß, dass ich Forschung für etwas betreibe, was am Ende gut für die Bevölkerung und auch für die Natur ist.

Hast Du schon eine Idee, wie es nach Deiner Promotion beruflich weitergehen soll?

David Tetzlaff: Im Grunde bin ich offen für alles. Aber der Anwendungsbezug sollte auf jeden Fall weiter gegeben sein. Eine akademische Laufbahn mit Post-Doc, Habilitation und Professur wäre definitiv nichts für mich. Eine Einrichtung wie das Fraunhofer UMSICHT verbindet beide Welten und würde mich deshalb als Arbeitgeber reizen – aber ebenso der Schritt in die Industrie.