Wie zeit- und ortsflexible Arbeit zu mehr Zufriedenheit und Produktivität führt

Interview /

Fraunhofer UMSICHT zählt zu den Vorreitern bei der Fraunhofer-weiten Einführung für flexibles Arbeiten: Seit Oktober 2020 ist die Betriebsvereinbarung zu New Work in Kraft. Sie bildet den Rahmen für orts- und zeitflexibles Arbeiten am Institut. Wie das in der Praxis aussieht und welche Vorteile das neue Arbeiten bietet, erklärt die Leiterin der Personalabteilung, Medi van Rheinberg, im Interview.

Medi van Rheinberg leitet die Personalabteilung am Fraunhofer UMSICHT – auch aus dem Home-Office. Für sie bedeutet New Work mehr Balance in Arbeits- und Privatleben.

Was bedeutet New Work?

Medi van Rheinberg: New Work ist ein sehr umfangreicher Begriff, der sehr unterschiedlich definiert werden kann. Am Fraunhofer UMSICHT sehen wir New Work als Antwort auf die dynamische VUCA-Welt – geprägt von »volatiliy«, »uncertainty«, »complexity« und »ambiguity«. Das heißt: Wir bieten eine Arbeitsumgebung, die sich sowohl mit Blick auf die Zeit als auch den Ort flexibel gestalten lässt. Ziel dahinter ist, dass zum einen Mitarbeitende durch erhöhte Selbstbestimmung glücklicher und gleichzeitig wir als Institut agiler werden.

Wie sieht das konkret aus?

Medi van Rheinberg: Im Grunde kann jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter individuell und selbst bestimmt entscheiden: Möchte ich heute im Büro oder Labor arbeiten, um mich dort mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen? Oder möchte ich lieber im Home-Office oder an einem anderen Ort arbeiten, um konzentriert etwas voranzubringen? Gleiches gilt für die Arbeitszeit: Wer mittags eine längere Auszeit braucht oder nachmittags gerne drei Stunden z.B. ins Fitnessstudio möchte, um den Kopf freizubekommen, kann das machen.

Welche Rolle spielt die neue Flexibilität in Ihrem Arbeitstag?

Medi van Rheinberg: Ich arbeite in Vollzeit, gehe gerne zum Sport und treffe mich auch wirklich gerne mit Freundinnen und Freunden. Gleichzeitig bin ich Mutter eines kleinen Kindes, verbringe gerne Zeit mit der Familie und möchte meinen Sohn nicht von frühmorgens bis spätnachmittags in der Kita fremdbetreuen lassen. Durch New Work habe ich die Möglichkeit, in aller Ruhe mit meinem Sohn zu frühstücken, ihn fertig zu machen und in die Kita zu bringen. Danach starte ich in den Arbeitstag. Am frühen Nachmittag hole ich meinen Sohn dann wieder ab, wir gehen auf den Spielplatz, zum Bauernhof oder verbringen anders qualitative Zeit miteinander. Im Abendbereich mache ich dann das Notebook wieder an und arbeite noch ein paar Stunden konzentriert – ohne Meetings, ohne minütlich eingehende E-Mails oder Telefonate.

New Work bringt also mehr Balance in Arbeits- und Privatleben?

Medi van Rheinberg: Für mich persönlich auf jeden Fall. Ich bin definitiv zufriedener. Ich habe keine Gewissensbisse mehr, nicht genug Zeit mit meinem Kind zu verbringen oder nicht genug für die Arbeit oder meine Teams zu tun. Und das gilt auch mit Blick auf die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Durch New Work prognostizieren wir höhere Zufriedenheit, eine gesteigerte Motivation und auch selbstwahrgenommene Produktivität. Konzentriertes Arbeiten beispielsweise ist im Home-Office möglich, für Kreativprozesse stehen den Teams zukünftig u.a. sogenannte Co-Working-Spaces zur Verfügung, in die sie sich einmieten können.

Nicht zu unterschätzen sind auch Nachhaltigkeit und Umweltbilanz: Veranstaltungen und Meetings werden zukünftig vermehrt online oder hybrid stattfinden. Dienstreisen werden vermutlich in der Zukunft nicht mehr in der Häufigkeit durchgeführt, wie es in der Vergangenheit üblich war. Darüber hinaus gibt es Kolleginnen und Kollegen, die müssen, um vor Ort am Institut zu arbeiten, eine PKW-Anfahrt von bis zu 60 Minuten pro Strecke in Kauf nehmen. Selbst wenn sie nur an einigen Tagen in der Woche zuhause arbeiten, spart das schon jede Menge CO2.

Trotz aller Vorteile: New Work ist sicherlich auch mit Herausforderungen an Selbstorganisation, Teamarbeit und Führung verbunden. Wie gehen Sie damit um?

Medi van Rheinberg: Neben der Betriebsvereinbarung, die den groben kollektiven Rahmen für das flexible Arbeiten am Institut vorgibt, hat jedes Team mit Unterstützung externer Coaches eine eigene Charta erarbeitet. Dort ist geregelt, wie die Zusammenarbeit in Zeiten von New Work aussieht und wie beispielsweise mit Abwesenheiten und individuellen, team- und kundenorientierten Bedürfnissen umzugehen ist.

Darüber hinaus unterstützt unsere Personalentwicklung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Angeboten zu Selbstorganisation und auch Selbstverantwortung. Denn natürlich kann die neue Flexibilität auch zu Entgrenzungsmomenten führen, weil Arbeits- und Privatleben nicht mehr so klar getrennt sind. Wir ermutigen auch die Führungskräfte, darauf zu achten und ihren Teammitgliedern bei Bedarf Hilfestellung zu bieten. All das erfordert natürlich von allen Seiten Vertrauen, Selbstverantwortung und eine sehr gute Kommunikation. Zusammenfassend kann ich sagen, wir stecken momentan mitten in einem »cultural change«, den wir bislang sehr gut meistern. Ich bin froh, dass UMSICHT sich getraut hat, diesen Schritt zu gehen, und dankbar, diese Veränderungen mit meinen Teams mitgestalten zu dürfen.