Energiewende

»Strom als Rohstoff« für die chemische Industrie

Pressemitteilung /

Mit der Energiewende und der wetterabhängigen dezentralen Stromerzeugung steht mittelfristig kostengünstiger und kohlendioxidarmer Strom bereit. Fließt dieser Strom in elektrochemische Reaktionen ein, werden Basischemikalien für die industrielle Produktion zugänglich, für die bislang meist Erdöl verbraucht wurde. Hier setzt das Fraunhofer-Leitprojekt »Strom als Rohstoff« an, das Ende Oktober startete.

Pflanzen machen es vor: Aus dem Kohlendioxid (CO2) der Atmosphäre können sie eine Vielzahl chemischer Substanzen aufbauen. Über elektrochemische Reaktionen wäre dies ebenso möglich. Doch in der Industrie hat niemand diese Idee ernsthaft verfolgt, denn die zugrunde liegenden Reaktionen sind sehr energieintensiv. Mit der Energiewende und der wetterabhängigen dezentralen Stromerzeugung steht mittelfristig kostengünstiger und CO2-armer Strom bereit. Damit wäre es möglich, chemische Produkte zu erzeugen, für die bislang meist Erdöl verbraucht wurde.

Fraunhofer Vollsortimenter für elektrochemische Dienstleistungen

Die Energiewende und der mit ihr anfallende günstige Strom (sog. Überschussstrom) bieten die Chance, eine stromgeführte Produktion aufzubauen. Zehn Fraunhofer-Institute, koordiniert von Fraunhofer UMSICHT, haben sich zusammengetan, um den Grundstein dafür zu legen und die Elektrochemie als Technologieplattform und Exportartikel zu entwickeln. Ziele sind die Entwicklung neuer elektrochemischer Verfahren sowie deren technische Demonstration und Einkopplung in das deutsche Energiesystem. Die Institute wollen dauerhaft im Markt etablierte Verwertungsketten aufbauen, sodass Fraunhofer in etwa zehn Jahren als »Vollsortimenter für elektrochemische Forschung und Entwicklung« auftritt.

Ethen und Alkohole als Basischemikalien

Im Fokus steht dabei nicht die Erzeugung von Methan als Treib- oder Brennstoff, bekannt unter dem Schlagwort »Power to Gas«. Zwar wird auch diese Stoßrichtung von Fraunhofer-Instituten verfolgt, doch im Leitprojekt geht es um die Synthese von Chemikalien, deren Preis höher ist als jener von Erdgas. Damit wäre die Technologie auch schneller marktrelevant. Die hergestellten Stoffe sollen sich als Basischemikalien in die etablierten Produktionsstrukturen der chemischen Industrie integrieren lassen. Die kooperierenden Institute wollen daher mit der elektrochemischen Herstellung von Ethen sowie verschiedenen Alkoholen beginnen. Ethen hat enorme Bedeutung als Ausgangsstoff für Polyethylene. Aus kurzkettigen Alkoholen lassen sich eine Vielzahl organischer Chemikalien herstellen, höhere Alkohole sind relativ hochpreisige Grundstoffe, aus denen unter anderem Ester und Acrylate synthetisiert werden.

Zwei Syntheserouten: CO2-Konversion und Wasserstoffperoxid

In der Hauptsache dreht sich das Vorhaben also um elektrochemische CO2-Umwandlung. CO2 muss aber nicht immer der Ausgangsstoff sein: Ein weiteres Teilprojekt plant nach dem gleichen Prinzip die dezentrale Herstellung von Wasserstoffperoxid (H2O2) aus Sauerstoff und Wasserstoff. H2O2 ist ein umweltfreundliches und etwa bei der Zellstoff- und Papierbleiche viel genutztes Oxidationsmittel.


Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT koordiniert das Konsortium »Strom als Rohstoff«. Mit dabei sind Fraunhofer IAP, ICT, IGB, IKTS, ISC, IST, ITWM und WKI, in beratender Rolle außerdem das IVV. Hier spielt Fraunhofer sein Alleinstellungsmerkmal aus, denn keine andere Forschungsorganisation könnte in dieser Breite auf die nötigen Technologien für das Vorhaben zurückgreifen. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Ansatzes betont Professor Eckhard Weidner, Leiter von Fraunhofer UMSICHT: »Experten analysieren, dass die Energiewende auch in Einklang mit den Anforderungen energieintensiver Industrien gebracht werden muss, um langfristig ein stabiles Wachstum zu ermöglichen. Es muss also gelingen, das Energiesystem auch mit chemischen Produktionssystemen zu koppeln. Elektrochemische Verfahren können als Enabling Technologies die technologische Basis für diese Systemkopplung bilden.«

Fakten