Fraunhofer UMSICHT erhält Preis für Forschungsprojekt: Mit Düften Mikrorisse frühzeitig erkennen

Pressemitteilung /

»Nichts gesehen, aber gerochen« - so das Motto des Forschungsprojekts, für welches Fraunhofer UMSICHT am 15. September 2011 den Preis im bundesweit ausgetragenen Innovationswettbewerb »365 Orte im Land der Ideen«* erhielt. Mit dem neu entwickelten Verfahren können Risse in schützenden Materialien wie Bau- oder Fahrradhelmen mittels in Mikrokapseln eingearbeiteter Duftstoffe erkannt werden. Bei der Preisverleihung und Veranstaltung »Ganz schön dufte« begaben sich rund 70 Besucher in die teils noch unbekannte Welt des Riechens und erfuhren, wie aus einer Idee ein Preis wird.

Das UMSICHT-Gewinnerteam bei der Preisverleihung
Das UMSICHT-Gewinnerteam freut sich über die Auszeichnung.
Professor Hanns Hatt
Professor Hanns Hatt signiert sein Buch »Das Maiglöckchen-Phänomen«.
Wie gut ist der Riechsinn?
Wie gut ist der Riechsinn der Besucher?

Sobald es riecht, können in naher Zukunft auch Laien erkennen, dass ein ausreichender Schutz eines Materials nicht mehr gegeben ist. Produkte wie Fahrradhelme müssen dann nicht mehr auf Verdacht ausrangiert werden. Von 350 Riechgenen des Menschen sind erst 20 entschlüsselt. Brot- oder Essensduft im Auto lässt Probanden schneller fahren – sie wollen nach Hause zum Essen. Neuwagenduft dagegen führt zu vorsichtigem Fahrverhalten. Der Mensch riecht nicht nur mit der Nase, auch Haut, Herz, Leber und Prostata können riechen. Die Veranstaltung »Ganz schön dufte« zeigte, wie viel Forschungspotenzial im Riechen steckt und gab den Gästen die Möglichkeit, ihren Riechsinn und das Riechen zu entdecken - ob beim Schnüffelstand, den Duftproben der Firma Firmenich, dem Vortrag des führenden Riechforschers Professor Hanns Hatt oder der Projektvorstellung des Preisträgerteams.

Professor Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum erläuterte, dass Düfte unser Leben mehr bestimmen, als wir meinen. Denn der Geruchssinn ist eng an die Erinnerung geknüpft. Ein Geruch sagt uns, wo unser Zuhause ist, der Geruch lässt uns sicher fühlen. Aber auch für zukünftige medizinische Entwicklungen ist das Riechen bedeutsam: In nahezu allen Zellen des menschlichen Körpers gibt es Riechrezeptoren, ihre Funktion ist oft noch unbekannt. Beispielsweise kann Veilchenduft das Tumorwachstum von Prostatazellen stoppen – vorerst nur im Reagenzglas. Düfte beeinflussen auch Kaufentscheidungen. Daher entwickeln Firmen bereits eine Corporate Duft-Identity. Das UMSICHT-Forscherteam nutzt in dem Projekt den Riechsinn, um den Zustand von Materialien zu erkennen. Doch es fing mit einem Besuch in der Autowerkstatt an.

 

Von der Idee zum Preis

»Warum muss eigentlich ein Zahnriemen im Auto einfach auf Verdacht bei einem bestimmten Kilometerstand ausgetauscht werden?«, fragte sich Professor Anke Nellesen, Projektmitarbeiterin und Ideengeberin. Besser wäre es doch, man wüsste, ob überhaupt gefährliche Mikrorisse vorhanden sind. Zum Beispiel durch einen Geruch, der austritt, sobald ein Riss entstanden ist. Die Idee war geboren. Jetzt begann das Forschen.

Zusammen mit Christina Eloo, Andreas Sengespeick (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Christof Koplin (Fraunhofer IWM) entwickelten sie Mikrokapseln, die ein Duftöl enthalten und die in ein Kunststoffmaterial eingearbeitet werden. Dieses wird dann im Spritzgussverfahren zum endgültigen Bauteil verformt. Als erstes Demonstrationsobjekt wählten die Forscher den Fahrradhelm. »Wir mussten nun den Werkstoff so weiterentwickeln, dass er mit den Mikrokapseln standardmäßig zu verarbeiten ist und damit hohe Drücke und Temperaturen aushalten kann«, erläuterte Christina Eloo die Herausforderungen. Wichtiges Ziel war es weiterhin, dass der Duftstoff definiert freigesetzt wird. Die Firma Firmenich entwickelte den Duftstoff für die Mikrokapsel. Nach intensiver Entwicklungsarbeit ist das Projektteam nun doppelt stolz auf das Ergebnis: Die Technologie wurde zum Patent angemeldet – und ist Preisträger im Innovationswettbewerb.

»Aus 2.600 eingereichten Bewerbungen überzeugte das Forschungsprojekt ‚Geruchsinduziertes Erkennen kritischer Risse’ die Jury. Denn es ist ein gutes Beispiel für die Innovationskraft des Forschungsstandorts Deutschland und ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung von Materialien der Sicherheitstechnik«, sagte Olaf Keim von der Deutschen Bank in Oberhausen und überreichte dem Projektteam den Preis. Professor Görge Deerberg, stellvertretender Institutsleiter von Fraunhofer UMSICHT, freute sich sehr über die Auszeichnung und betonte: »Wir sind stolz auf diesen Preis und freuen uns, ein ‚Ausgewählter Ort‘ im Land der Ideen zu sein. Ich freue mich auch sehr über das tolle Engagement unseres Teams: Das ist genau der Forschergeist, den wir brauchen, und der zeigt, wie wir arbeiten: Ideen aufgreifen, egal wo sie entstehen, und konkrete Lösungen finden, die wichtige Impulse geben.«

 

*Das Forschungsprojekt ist einer von 365 Preisträgern, die jedes Jahr von der Standortinitiative »Deutschland – Land der Ideen« gemeinsam mit der Deutschen Bank unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Christian Wulff prämiert werden.