Perfluorierte Tenside sicher anwenden

Pressemitteilung /

Perfluorierte Tenside (PFT) sind wasser- und fettabweisend zugleich. Das macht sie in vielen Industriebereichen scheinbar unverzichtbar. Außergewöhnlich langlebig, gelangen sie über die Nahrungskette in Organe und Blutproteine und wirken toxisch. Deshalb dürfen PFT in größeren Mengen nur in wenigen Bereichen verwendet werden. Für die Galvano- und Löschtechnik gelten Ausnahmen. Denn hier sind PFT noch weitgehend alternativlos. Doch die Anwendungssicherheit ist optimierbar. Bereits fünf Maßnahmen helfen deutlich.

Die Idee hinter Adsorbens »PerfluorAd«: Biobasierte Reststoffe werden chemisch modifiziert.
Perfluorierte Tenside
Eine Übersicht über die bekannstesten Vertreter der Perfluorierten Tenside.

Perfluorierte Tenside (PFT), deren prominentester Vertreter die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) ist, sind in der Galvano- und Löschtechnik mittelfristig als höchst wirksame Prozesshilfsmittel weitgehend alternativlos. Sie erfüllen als Sprühnebelverhinderer und Netzmittel in Cr(VI)-haltigen Lösungen in der Galvanotechnik und als effizientes Netzmittel in der Löschtechnik wichtige Funktionen.

Untersuchungen der Universität Halle aus dem Jahr 1989 bilden noch heute die Grundlagen für die Begrenzung von Brandflächen. Sie ergaben, dass bei Flächenbränden von unter 1000 Quadratmetern auf PFT-Zusätze in den Löschschäumen verzichtet werden kann. Bei größeren Flächen sei dies unabdingbar. »In absehbarer Zeit werden keine Ersatzstoffe für die fluorhaltigen Verbindungen zur Verfügung stehen, die in den Aqueous Film Forming Foam (AFFF)-Löschmitteln ohne Verringerung der Löschwirkung als Substitute eingesetzt werden könnten«, bringt Brandoberrat (a. D.), Dr. Hans-Georg Pleß es auf den Punkt. Er war ehemals am Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt im Bereich Brandbekämpfung und Gefahrenabwehr tätig.
»Auch wenn im Bereich der Galvanotechnik schon beträchtliche Erfolge im Ersatz von perfluorierten Tensiden erzielt worden sind, wären weitere wissenschaftliche Verbundprojekte unter Einbeziehung aller Stakeholder wünschenswert. Ziel muss es sein, optimale technische Prozesse zu finden, die auch für kleine und mittelständische Unternehmen, wie sie für die Galvanotechnik typisch sind, wirtschaftlich einsetzbar sind«, ergänzt Dr. Werner Richtering. Er ist Leiter Forschung und Entwicklung des Geschäftsbereiches »General Metal Finishing« der Atotech Deutschland GmbH. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Anlagen und chemischen Verfahren für die galvanische Oberflächenveredelung, Leiterplattenfertigung und Electronics Materials spezialisiert.

Da bisher keine stofflichen Alternativen mit vergleichbar technischen Eigenschaften, geringerer Toxizität und vor allem verminderter Bioresistenz auf dem Markt zur Verfügung stehen, müssen Prozesse, in denen PFT verwendet wird, fortwährend in Hinblick auf ihre Anwendungssicherheit optimiert werden.

Fünf Maßnahmen erhöhen die Anwendungssicherheit von PFT

Fünf Maßnahmen, die deutlich zur Erhöhung der Anwendungssicherheit beitragen, formulierten Vertreter aus Galvano- und Löschtechnik im Rahmen des PFT-Anwenderseminars, das von Fraunhofer UMSICHT am 1. Dezember 2011 veranstaltet wurde.

1. Standardisierung der Prozessüberwachung
Die Anwendung von PFT wird durch Standardisierung der Prozessüberwachung kontrollierbar und somit für den Anwender, die Behörden und Entsorger sicherer gestaltbar.

2. Vereinheitlichung behördlicher Grenzwerte
Es gibt bislang nicht für alle PFT verbindliche Grenzwerte; für einige gelten zur Zeit nur Empfehlungswerte, die zum Teil sogar von Stadt zu Stadt variieren. Durch einheitliche Grenzwerte ist eine größere Rechtssicherheit sowie eine größere Verbindlichkeit der Einhaltung gewährleistet.

3. Bereitstellung analytischer Feldmethoden
Analytische Feldmethoden müssen entwickelt und bereitgestellt werden, um eine einfache und preisgünstige Bestimmung von PFT-Verbindungen vor Ort - d.h. im Galvanikbad, an Aufbereitungsanlagen von Abwasser und Grundwasser sowie am Löschplatz – zu gewährleisten.

4. Bereitstellung stoffspezifischer Adsorbenzien für PFT
Stoffspezifische Adsorbenzien für PFT, die als Filtermaterialien oder selektive Chemiebindemittel eingesetzt werden können, müssen entwickelt und bereitgestellt werden.

Adsorbens PerfluorAd optimiert Reinigung und reduziert Kosten

Fraunhofer UMSICHT forscht derzeit in Kooperation mit der Cornelsen Umwelttechnologie GmbH an der Entwicklung neuartiger Adsorptionsmaterialien auf Basis natürlicher Rohstoffe. Sie sollen künftig eine einfache und kostenoptimierte Abtrennung von PFT aus kontaminierten Wässern erlauben. »Das neue Adsorbens „PerfluorAd“ basiert auf Biomaterialien. Durch seine hohe Spezialisierung auf schwer adsorbierbare kurzkettige PFT kann es in Form einer ergänzenden Reinigungsstufe die Reinigungsleistung sowie die Betriebskosten von (Aktivkohle-)Aufbereitungsanlagen optimieren«, verdeutlicht Dipl.-Ing. Martin Cornelsen, geschäftsführender Gesellschafter des Essener Unternehmens, die Möglichkeiten der Produktentwicklung.

5. Verbesserte Kommunikation
Die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Netzmittel- und Löschmittel-Herstellern, den Anwendern in der Lösch- und Galvanotechnik sowie Behörden und Entsorgern muss offener werden.

Die Anwender fordern von den Herstellern eine bessere Information über die Zusammensetzung der Produkte. Die Behörden wiederum wünschen sich von den Anwendern mehr Informationen über den Einsatz der diversen Löschmittel und die jeweils verwendeten Mengen.
Die Hersteller hoffen auf schnellere Kommunikation wichtiger Grenzwerte. So wiesen sie darauf hin, dass PFOA und ihre Derivate in Feuerlöschschäumen nicht komplett verboten wurden, vielmehr dürfen noch Konzentrationen von unter 0,005 Massenprozent eingesetzt werden.

Das verbessert die Kommunikation

»Praxisnahe Veranstaltungen wie das PFT-Anwenderseminar, das wir am 1. Dezember 2011 bei Fraunhofer UMSICHT angeboten haben, bieten eine gute Chance miteinander in den Dialog über PFT zu treten. Auch die Durchführung gemeinsamer Kooperationsprojekte in der Praxis eignet sich hervorragend, um das Thema interdisziplinär zu entwickeln«, resümiert Dr. Stefano Bruzzano, stellvertretender Leiter des Geschäftsfelds Prozesstechnik bei Fraunhofer UMSICHT. Er hatte die Idee zum Anwenderseminar »Perfluorierte Tenside in der Galvano- und Löschtechnik«.

Ziel des Anwenderseminars war es zunächst, praxisnahes Wissen wie Informationen zum Arbeitschutz oder zur Aufbereitung PFT-haltiger Medien bereitzustellen sowie über ökologisch und wirtschaftlich mögliche Folgen von Kontaminationen in Boden und Wasser aufzuklären. Dieser gemeinsame Kenntnisstand bildete die Basis, um nachfolgend die fachspezifischen Fragestellungen umfassend diskutieren zu können und für die Praxis wichtige Ableitungen zu treffen.

Probleme aus der Praxis verstehen und Lösungen entwickeln

»Den besonderen Charme des Seminars machte die Vielfältigkeit des Auditoriums und dessen Anwendungsnähe aus. Vertreter von Umweltbehörden, Forschungsinstituten und Verbänden, Hersteller von PFT-Formulierungen, Anwender aus der Galvano- und Löschtechnik sowie Entsorgungsunternehmen kamen zusammen und tauschten sich branchenübergreifend aus. Das hat uns die Probleme aus der Praxis näher gebracht. Und genau das hilft uns, unsere Entwicklungen im Bereich PFT-Analytik, Standardisierung und Adsorbentien an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen«, erklärt Bruzzano.

Perfluorierte Tenside (PFT):

Perfluorierte Tenside sind Substanzen, die gezielt synthetisiert werden und in der Natur nicht vorkommen. Sie weisen eine hohe chemische und thermische Resistenz auf, sie sind schmutz-, fett-, öl- und wasserabweisend, sie haben eine große Beständigkeit gegenüber UV-Strahlung und Verwitterung und verfügen über hervorragende tensidische Eigenschaften: Die Kohlenstoffkette der Verbindung ist hydrophob, während die Kopfgruppe hydrophile Eigenschaften aufweist. Schon geringe Konzentrationen führen zu deutlichen Veränderungen der Oberflächenspannung. Sie können in der Natur nicht abgebaut werden und sind ubiquitär nachweisbar.