Neue Geschäftsmodelle und Innovationen für die Circular Economy

Interview /

Die Circular Economy (CE) steht für Phillip Rittershaus und Jonathan Gaier ganz im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Beide studierten Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum und sind nun beim Fraunhofer UMSICHT dabei, Kundinnen und Kunden auf ihrem Weg der Transformation zur CE zu beraten und zu unterstützen – mit innovativen Geschäftsmodellen, zirkulären Produkten und Prozessen.

© Gebhard Bücker Photography | Fraunhofer UMSICHT
Jonathan Gaier (links) und Philipp Rittershaus

An welchen Themen arbeitet ihr aktuell beim UMSICHT?

Jonathan Gaier: Ich arbeite aktuell an mehreren Projekten im Bereich Circular Economy (CE). Neben öffentlich geförderten Projekten wie bspw. »EKODA« zur Erschließung neuer Verwertungsrouten für Kfz-Teile und »KiOptiPack«, in dem KI-basierte Optimierungsverfahren zur Produktion von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil entwickelt werden, berate ich Unternehmen bei ihrer individuellen Transformation zur zirkulären Wirtschaft. Auch das Thema Circular Design, also wie Produkte für eine CE gestaltet werden müssen, gehört zu meinen Aufgabengebieten.

Philipp Rittershaus: Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Arbeit bei UMSICHT hauptsächlich mit dem Themenfeld der Circular Economy. Hierbei liegt mein Fokus im Besonderen auf der Geschäftsmodelltransformation -/innovation. Dies ist auch Teil meiner Dissertation, in der ich mich mit Hebeln und Hemmnissen der Transformation zu einer CE am Beispiel von Consumer Electronics auseinandersetze und versuche, diese möglichst im Einklang mit den drei Ebenen –der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft - zu gestalten. Weiter betreue ich gemeinsam mit Jonathan das Projekt EKODA und diverse LCA (Life-Cycle-Assessment) und LCC (Life-Cycle-Costing) Projekte, stets mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Zirkularität.

Welche Hemmnisse oder auch Herausforderungen für eine Circular Economy seht ihr?

Jonathan Gaier: Es gibt einige Hürden auf dem Weg zur Circular Economy, denen in Deutschland aktuell glücklicherweise schwungvoll begegnet wird. An vielen Stellen mangelt es an klaren, politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen, und auch veraltete Subventionierungsmodelle können nachhaltigeren, zirkulären Lösungen den Wettbewerb erschweren. Doch ganz wichtig ist, dass wir das Verständnis und die Relevanz einer Kreislaufwirtschaft so schnell wie möglich in die Unternehmen aller Branchen bekommen. Denn hier liegt letztendlich der Schlüssel zur Umsetzung, und darum geht es am Ende.

Philipp Rittershaus: Für mich liegt die größte Herausforderung im »Anfangen«, im wie und wo. Viele Unternehmen haben sich Nachhaltigkeit als Ziel auferlegt, wissen aber nicht genau, wo sie am besten ansetzten können. Wie punktueller Aktionismus verhindert werden kann und umfassende Konzepte aufgestellt werden können, die es Unternehmen ermöglichen ihr volles Potential auszuschöpfen. Das möchten wir vermitteln. Hier bietet die CE großes Potenzial für systemische Umbrüche, bei gleichzeitig niederschwelligem Einstieg, quasi Schritt für Schritt zirkulär und nachhaltig werden Mit einer begleitenden LCA haben wir zudem die Möglichkeit, diese Konzepte genormt hinsichtlich ihrer ökologischen Vorteilhaftigkeit zu bewerten und validieren.

Was bietet ihr Unternehmen konkret an, die ihre Prozesse oder Produkte zirkulärer gestalten wollen?

Jonathan Gaier: Wir haben einen ganzen Werkzeugkoffer, um Transformationsprozesse zur Circular Economy anzuregen und zu unterstützen. Damit können wir bestehende, lineare Wertschöpfungsketten analysieren und Konzepte für eine zirkuläre Alternative entwickeln. Unser Ansatz beschränkt sich dabei nicht nur auf einzelne Facetten, sondern wir betrachten Produkt, Geschäftsmodell und das sogenannte Ökosystem, in dem verschiedene Unternehmen miteinander vernetzt arbeiten, gleichermaßen. Als Ergebnis liefern wir konkrete Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen und begleiten mit unseren Methoden bis zur Umsetzung.

Philipp Rittershaus: Das Vorgehen ist dabei bewusst so gestaltet, dass es sich individuell an den Erfahrungsstand der Unternehmen anpassen lässt, ohne dabei den Umfang der Beratung einschränken zu müssen. Wir haben so eine Möglichkeit geschaffen, Experten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit mit kreativen Innovationen zu unterstützen und Einsteigern einen Weg in die CE zu zeigen.

Ist es für Unternehmen nicht erst mal vor allem mit Investitionen verbunden, wenn sie zirkulärer werden wollen?

Jonathan Gaier: Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt ja schon ganz viel existierende Infrastruktur, die man nutzen kann, auch wenn diese nicht unbedingt im eigenen Unternehmen vorhanden ist. Durch die intelligente Vernetzung vieler Produkt- und Materialkreisläufe lassen sich viele Prozesse über vorhandene Akteure abbilden. Aber natürlich bedeutet eine Transformation zur Zirkularität umfangreiche Veränderungsprozesse und damit verbundene Investitionen. Auf der anderen Seite bietet zirkuläres Wirtschaften oft auch langfristige, ökonomische Vorteile. In den Projekten wird neben der ökologischen und sozialen immer auch die ökonomische Nachhaltigkeit adressiert.

Wie geht ihr bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen vor?

Philipp Rittershaus: Dies erfolgt immer höchst individuell in Abstimmung mit den Unternehmen. Hierzu fragen wir zu Beginn Motivation und Ziel ab, analysieren den Status Quo und Zielmarkt. Basierend auf diesen Informationen lässt sich der Methodenkoffer individuell anpassen.

Was unterscheidet UMSICHT von anderen Nachhaltigkeits-Beratungsunternehmen?

Jonathan Gaier: Als Forschungsinstitut und vor allem die Mitarbeitenden beim Fraunhofer UMSICHT haben den großen Vorteil, viele verschiedene Fachgebiete zu vereinen. So können wir beispielsweise gezielt Produkt-, Material- und Verfahrensentwicklung in den Transformationsprozess einkoppeln. Zudem liegt es in unserer DNA, kontinuierlich über den Tellerrand zu blicken, unsere Methoden weiterzuentwickeln und neuste Erkenntnisse zu verfolgen und zu schaffen. Davon profitieren auch unsere Auftraggebenden sowie Partnerinnen und Partner.

Ihr entwickelt Geschäftsmodelle für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Könnt ihr Beispiele nennen?

Jonathan Gaier: Das Angebot ist grundsätzlich unabhängig von Material, Produkt oder Branche. Die ersten Konzepte entwickelten wir dabei für einen Kindersitz, also ein klassisches Gebrauchsgut für Privatkunden. Wir haben aber bspw. auch zwei Projekte in der Medizinbranche mit völlig unterschiedlichen Produkten und Rahmenbedingungen durchgeführt. Wir sind also sehr breit aufgestellt.