»Es geht uns um mehr als um Anzahl und Positionen von weiblichen und männlichen Mitarbeitenden«

Interview /

Seit März 2020 gibt es am Fraunhofer UMSICHT die Unconscious Bias AG. Ihre Zielsetzung: eine größere Vielfalt unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts zu ermöglichen. Wie mehr Diversität erreicht werden soll, wer sich in der Arbeitsgruppe engagiert und wo bisherige Erfolge lagen, verrät Annette Somborn im Interview.

Annette Somborn
Annette Somborn gab 2020 den Anstoß für die Unconscious Bias AG am Fraunhofer UMSICHT.

Was verstehen Sie unter Unconscious Bias?

Annette Somborn: Unter Unconscious Bias verstehe ich unbewusste Voreingenommenheit. Das heißt konkret: Ich bewerte Situationen – aber vor allem auch Menschen – nicht neutral, sondern vor dem Hintergrund von Erfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens gemacht habe. Das ist ein Trick unseres Gehirns, mit den vielen Reizen, die auf uns einprasseln, klarzukommen. Eine Folge kann durchaus das sogenannte Schubladendenken sein. Das lässt sich vielleicht nicht komplett verhindern, aber es lohnt, sich diese »Falle« bewusst zu machen, damit man nicht hineintappt. Zu dem Thema gibt es natürlich jede Menge Materialien, die die AG innerhalb des Fraunhofer UMSICHT zur Verfügung stellt.

Wann fiel der Startschuss für die Unconscious Bias AG am Fraunhofer UMSICHT? Und wer hat die Initiative damals ergriffen?

Annette Somborn: Der Startschuss für die AG fiel im März 2020. Ich hatte mich mit diesem Thema privat beschäftigt und fand es sehr spannend. Nach einem Gespräch mit Kerstin Hölscher, der Vorsitzenden des Betriebsrates (BR) am Fraunhofer UMSICHT, und Katrin Scholten, unserer Beauftragten für Chancengleichheit (BFC), beschlossen wir dann, dass BR, BFC und Wissenschaftlich-Technischer Rat (WTR) das Thema gemeinsam angehen sollten. Ich stellte die Idee beim Institutsleitungsausschuss (ILA) vor und Markus Hiebel als Nachhaltigkeitsbeauftragter war ebenfalls sofort begeistert. Und so kam es zur Gründung der AG, an der nun u. a. WTR, BR, BFC, der Nachhaltigkeitsbeauftragte, die Personalentwicklung und die Abteilung Public Relations beteiligt sind. Dank dieser Zusammensetzung konnten Kräfte gebündelt und Synergien genutzt werden – z. B. zur Erarbeitung des Diversity-Leitbilds des Instituts.

Mit welcher Zielsetzung ist die AG gestartet?

Annette Somborn: Unsere Zielsetzung war, eine größere Vielfalt am Fraunhofer UMSICHT zu ermöglichen. Es geht uns also um deutlich mehr als um Anzahl und Positionen von weiblichen und männlichen Mitarbeitenden…

Wo liegen Arbeitsschwerpunkte?

Annette Somborn: Wir wollen am Fraunhofer UMSICHT eine Aufmerksamkeit oder ein Bewusstsein für das Thema Unconscious Bias schaffen und so die Diversität steigern bzw. ermöglichen. Aktuell sammeln wir Informationen und Anregungen für konkrete Maßnahmen. Dafür haben wir eine interne Vortragsreihe initiiert, bei der Fachleute aus unterschiedlichen Zweigen Diversität aus ihren Perspektiven beleuchten. Bislang konnten wir Personen aus den Bereichen Universität, Forschung, Politik und Industrie für eine Teilnahme gewinnen: Prof. Dr. Ada Pellert (Rektorin der FernUniversität in Hagen), Prof. Dr. Alexander Kurz (kommissarischer Vorstand für Personal, Unternehmenskultur und Recht der Fraunhofer-Gesellschaft), Anne Katrin Bohle (Staatssekretärin im Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat) sowie Dr. Lars Kulik (Vorstandsmitglied der RWE Power AG). Weitere Vorträge sind in Planung.

Was sind bisherige Erfolge? Und gab es auch Tiefschläge?

Annette Somborn: Ein großer Erfolg war sicherlich, dass wir die Institutsleitung von der Sinnhaftigkeit der AG überzeugen und sie als wertvolle Unterstützung gewinnen konnten. Ein weiterer Erfolg war die Durchführung eines Diversity-Audits im Jahr 2021. Ergebnis: Wir haben schon gute Grundlagen, auf denen wir aufbauen können. Positiv ist auch zu vermerken, dass das Thema Diversity bereits im Herbst 2020 als interaktiver Block beim Netzwerk-ILA vertreten war und auf diese Weise zur Diskussion und Sensibilisierung aller Führungskräfte des Instituts beigetragen hat. Auch die Tatsache, dass uns die Fraunhofer-Gesellschaft unterstützt und z. B. die Kosten für den Diversity Audit übernommen hat, sowie die positive Resonanz auf unsere Vortragsreihe sind als Erfolge zu verzeichnen. Von richtigen Tiefschlägen sind wir bislang verschont geblieben, aber an der ein oder anderen Stelle würden wir uns etwas mehr Mut und Fortschritt wünschen.

Ist bereits eine Veränderung im UMSICHTigen Alltag zu bemerken?

Annette Somborn: Ob wirklich schon Veränderungen spürbar sind, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Aber wir hoffen und glauben, dass wir einen Prozess des Kulturwandels in Gang gesetzt haben – und zwar, indem wir weiter für das Thema Unconscious Bias sensibilisieren und nicht versuchen, den Kolleginnen und Kollegen etwas aufzudrängen.

Was sind nächste Schritte?

Annette Somborn: Wir werden zunächst mal unsere Vortragsreihe fortführen und für unser Diversity-Leitbild trommeln. Darüber hinaus wollen wir auch konkrete Maßnahmen umsetzen – angefangen bei einer Verbesserung der UMSICHTigen Bildsprache und unserer Internationalität bis zur Verbesserung der Datenbasis, um Auswirkungen unserer Arbeit transparenter zu machen.