Vier Fragen an ...

... Dr. Florian Haakmann von der thyssenkrupp AG

Interview vom 19.7.2023

Florian Haakmann
Dr. Florian Haakmann hat an der Universität Duisburg-Essen Chemie studiert und berufsbegleitend promoviert. Bevor er 2012 als Laborleiter für den Bereich Umwelt-, Spuren- und Gefahrstoffanalytik sowie den Bereich Lacklabor seine Tätigkeit für die thyssenkrupp AG aufnahm, arbeitete er im Bereich Material- und Schadensanalyse und war als Referent an der FH Südwestfalen tätig. Im Verbundprojekt Carbon2Chem® leitet er seit März 2023 das Teilprojekt »L-0 Systemintegration«.

Als Teilprojektleiter von L-0, was wurde aus Ihrer Perspektive betrachtet bislang im Verbundprojekt Carbon2Chem® erreicht?

Florian Haakmann: Europa, Deutschland und die Stahlindustrie haben sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt: Klimaneutralität bis spätestens 2050. Zur Umsetzung dieser Ziele und zur Erreichung der Klimaneutralität spielt die Nutzung von Kohlenstoff aus Punktquellen als Ersatz für fossile Quellen eine entscheidende Rolle. Insbesondere Hüttengase aus der Stahlproduktion mit im Vergleich zur Atmosphäre hohen CO2 und CO-Anteilen sind dabei ein besonders vielversprechender Weg um schnell und energieschonend große Mengen an CO2 einzusparen und wieder zu verwerten. Im einzigartigen Verbundnetzwerk Carbon2Chem®, bestehend aus akademischen und Industriepartnern, wurden in der ersten und in der noch bis Mai 2024 laufenden zweiten Phase des Projekts die technische Machbarkeit und die Robustheit des Verfahrens, bei dem aus Hüttengasen Basischemikalien wie Methanol und Urea hergestellt werden, im Versuchstechnikum in Duisburg und im Labor am Standort Oberhausen nachgewiesen. Parallel dazu wurden unterschiedliche Prozesskonzepte zur technischen Umsetzung erstellt und hinsichtlich der wirtschaftlichen, der techno-ökonomischen und der ökologischen Einflussfaktoren bewertet und verglichen.

Was waren Highlights?

Florian Haakmann: Ein Highlight ist definitiv die Art der Zusammenarbeit; das interdisziplinäre und internationale Projektteam schafft eine Atmosphäre, die Platz für Innovation bietet, Forschungsgeist weckt und zugleich zielstrebig nach Lösungen sucht. Weitere Highlights sind die Inbetriebnahme der ersten Scale-up-Methanolanlage, die schon 60L Methanol am Tag produziert, sowie die Erweiterung des Projekts zur Evaluation möglicher Anlagenstandorte und der Nutzung weiterer CO2-Quellen im Zuge des Carbon2Chem®-Upgrade.

Was waren die größten Herausforderungen?

Florian Haakmann: Die größte Herausforderung war und ist es, der Gesellschaft den Wert von Carbon Capture und Utilization (CCU) verständlich darzulegen und die Abgrenzung zu Carbon-Capture-and-Storage-Verfahren (CCS) zu verdeutlichen. Die Vermischung von Begriffen und Verfahren zeigt, das hier noch viel Arbeit zu tun ist, auch auf der Ebene der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Fest steht jedoch, dass eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft ohne CCU nur schwer denkbar ist und dass es einer Förderung dieser Technologie von allen Seiten Bedarf, um langfristig fossile Rohstoffe ersetzen zu können.

Welche nächsten Schritte sind geplant?

Florian Haakmann: Das übergeordnete Ziel ist nach wie vor, die Technologie in der Großanlage zum Einsatz zu bringen. Das Umfeld, in dem wir uns bewegen, hat sich jedoch auch weiterentwickelt und mit dem schrittweisen Ersatz von Kohle durch Wasserstoff als Reduktionsmittel in der Stahlindustrie ist auch mit einer Abnahme der CO2- und CO-Menge in den Hüttengasen zu rechnen, was eine Art »Transformationsanlage« erfordert, die es zu konzipieren gilt. Parallel richtet sich der Fokus des Projekts neben den C-Quellen aus der Stahlindustrie auf weitere CO2-Quellen und deren Nutzung. Dafür sind wir an der Einbindung neuer Partner und Industrien interessiert, um die CCU-Technologie weiter zu befähigen und großflächig zum Einsatz zu bringen.