Vier Fragen an ...

... Dr. Tim Nitsche vom Fraunhofer UMSICHT

Interview vom 14.09.2023

Tim Nitsche
Dr. Tim Nitsche hat Chemieingenieurwesen an der Hochschule Merseburg studiert. Im Jahr 2021 hat er im Rahmen von Carbon2Chem® zum Thema »Plasmachemische Spurensauerstoffentfernung aus einem Koksofengas bei Atmosphärendruck in einem koaxialen Reaktor mit dielektrisch behinderter Entladung« promoviert.

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit zwei Anlagen an zwei verschiedenen Standorten, was wurde aus dieser Perspektive betrachtet bislang im Verbundprojekt Carbon2Chem® erreicht?

Carbon2Chem®-Labor, Standort Oberhausen, Phase I

Wir haben im Rahmen der ersten Phase von Carbon2Chem® die Plasmatechnologie der dielektrischen Barrierenentladung (DBE) beim Fraunhofer UMSICHT etabliert und auch eine neue Applikation, die Entfernung von Spurensauerstoff aus Koksofengas, erfolgreich angewendet und damit die Machbarkeit dieser Technologie demonstriert. Wir konnten dabei auch ein besseres Verständnis für die ablaufenden plasmachemischen Reaktionen erlangen und wesentliche Einflussgrößen für die Umsetzung identifizieren.

Carbon2Chem®-Technikum, Standort Duisburg, Phase II

Im Rahmen der zweiten Phase konnte auf den Erfahrungen der ersten Phase aufgebaut werden. Zum einen wurde eine verbesserte Version des Plasmareaktors beim Fraunhofer UMSICHT aufgebaut, mit welchem das Plasma in der Regel gleichmäßiger verteilt werden kann und dadurch reproduzierbar höhere Reinigungsleistungen erzielt werden können. Dieser wird aktuell für vertiefende Untersuchungen zum Einfluss des Reaktoraufbaus sowie Gaszusammensetzung und Druck untersucht. Zum anderen wurde zusammen mit der Ruhr-Universität-Bochum eine Versuchsanlage für Volumenströme bis zu 10 Nm³/h im Carbon2Chem®-Technikum in Duisburg aufgebaut und bereits erfolgreich mit einem hochskalierten Oberflächen-DBE-Reaktor der Ruhr-Universität Bochum in Betrieb genommen. Sowohl Modellgasmischungen als auch das im Stahlwerk bei thyssenkrupp Steel Europe erzeugte Koksofengas bei Flüssen werden in der Anlage untersucht und für den Plasmareaktor bereits erste Parameterbereiche für eine vorteilhafte Entfernung hoher Gasvolumenströme identifiziert.

Was waren Highlights?

Carbon2Chem®-Labor, Standort Oberhausen, Phase I

Das erste Highlight war definitiv die Inbetriebnahme der Versuchsanlage samt Plasmareaktor, welche dank einer gründlichen Vorbereitung mit dem für dieses Bauvorhaben zur Verfügung stehende Team nahezu problemlos erfolgte. Danach konnten wir auch schnell die ersten erfolgreichen Umsätze registrieren und zeigen, dass man mit nicht-thermischen Plasma sehr gezielt Sauerstoff aus dem Koksofengas betreiben kann.

Carbon2Chem®-Technikum, Standort Duisburg, Phase II

Auch wenn ich in der zweiten Phase bereits mehr Erfahrung mit Versuchsanlagen und Plasmareaktoren hatte, war auch die Inbetriebnahme der Versuchsanlage im Carbon2Chem®-Technikum in Duisburg ein Highlight, auf das wir ebenfalls gut hingearbeitet haben. Mittels der guten Zusammenarbeit der Ruhr-Universität Bochum konnten wir auch hier wie geplant ein entsprechendes Reaktionssystem aufstellen und schrittweise immer höhere Gasmengen mit dem Plasmareaktor behandeln.

Was waren die größten Herausforderungen?

Carbon2Chem®-Labor, Standort Oberhausen, Phase I

Trotzdem wir in kurzer Zeit die Versuchsanlage mit dem Plasmareaktor in Betrieb nehmen konnten und erste erfolgreiche Reinigungen unserer Modellgasmischung erzielen konnten, war der kontinuierliche Betrieb des Reaktors noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Bei zu hohem Leistungseintrag des Plasmas fand ein Durchbruch im Glas statt, womit wir bestimmte Parameterbereiche nicht anfahren konnten. Nach fachlicher Beratung mit den Mitarbeitenden beim Fraunhofer UMSICHT konnten wir mittels einer verbesserten Reaktorversion mit Quarzglas statt Boranglas den Leistungseintrag erhöhen und eine bessere Umsetzung erreichen.

Die nächste große Herausforderung ließ aber nicht lang auf sich warten – das Plasma zündet im Reaktor oft nicht gleichmäßig und das an unterschiedlichen Stellen nach jedem Umbau, sodass zunächst klar definierte Versuchsvorgehen definiert werden mussten, die diesen Effekt berücksichtigen. Langfristig konnte ein neues Reaktordesign mit einem Stahlmantel entwickelt werden, welche eine wesentlich bessere und reproduzierbare Verteilung des Plasmas ermöglichte.

Carbon2Chem®-Technikum, Standort Duisburg, Phase II

Beim Aufbau der Versuchsanlage in Duisburg gab es im Detail auch kleinere neue Herausforderungen, die aufgrund der Auslegung der Anlage für höhere Volumenströme sowie den Betrieb im Carbon2Chem®-Technikum aufgetreten sind, welche dennoch auch wieder schnell gelöst werden konnten. Lediglich die begrenzte Verfügbarkeit bestimmter Bauteile mit entsprechend hohen Lieferzeiten hat zu leichtem Verzug in der Zeitplanung geführt.

Welche nächsten Schritte sind geplant?

Carbon2Chem®-Labor, Standort Oberhausen, Phase I

Auch wenn die Plasmaumsetzung grundlegend funktioniert, ist die plasmachemische Umsetzung ein recht komplexes Reaktionsnetzwerk, welche wir für die optimale Nutzung weiter im Detail untersuchen wollen. So sind im Koksofengas noch eine Vielzahl von Spurenstoffen enthalten, dessen Einfluss für die Plasmaumsetzung nur sukzessive verstanden wird. Daher werden wir in unserer Laboranlage den Einfluss einiger repräsentativer Spurenkomponenten des Koksofengases auf die Umsetzung im Plasma untersuchen.

Carbon2Chem®-Technikum, Standort Duisburg, Phase II

Im Technikum in Duisburg werden wir die Plasmaumsetzung im Koksofengas noch weiter betrachten. Dafür soll auch von unserer Seite noch eine hochskalierte Version der bei uns untersuchen und gebauten Volumen-DBD Einheit Anfang 2024 in Duisburg getestet werden.