Reststoffe und Rohstoffe: von Potenzialen und Risiken
Newsletter 02.09.2016 - Der vom UMSICHT-Förderverein ausgeschriebene UMSICHT-Wissenschaftspreis zeichnete zum siebten Mal Menschen aus, die hervorragende industrie- und marktnahe Forschung leisten und solche, die über Forschung in den Medien verständlich berichten. Dadurch tragen sie zum Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft in den Bereichen Umwelt-, Verfahrens- und Energietechnik bei. Der Preis ist mit 10 000 Euro in der Kategorie Wissenschaft und 2500 Euro in der Kategorie Journalismus dotiert. Die diesjährigen Preisträger sind: Dr. Saskia Oldenburg in der Kategorie Wissenschaft und Alexander Stirn in der Kategorie Journalismus.
Preisträger Journalismus: Alexander Stirn
Unter der Meeresoberfläche hat sich eine neue Welt des Unterwasserbergbaus ausgebreitet. Die Folgen und Kosten dieser Entwicklung beschreibt der Journalist Alexander Stirn in seinem Artikel »Goldgrund«, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe vom 2./3. Mai 2015, für den er mit dem UMSICHT-Wissenschaftspreis 2016 in der Kategorie Journalismus ausgezeichnet wurde.
Wer kann vom maritimen Bergbau profitieren?
Stirn: Es wird wahrscheinlich auf private Unternehmen hinauslaufen. Im Moment ist jedoch schwer zu sagen, in welche Richtung sich das Thema entwickeln wird. Ein interessanter Punkt: In den Ozeanen lagern Rohstoffe, die auf dem Land sehr stark an einem Punkt geballt sind. Lanthan etwa, das in Akkus Verwendung findet, kommt zu über 90 Prozent aus China. Ein derartiges »Quasi-Monopol« kann in Zukunft zu Problemen führen. Wenn man eine Alternative in der Tiefsee hätte, würden nicht nur diejenigen profitieren, die das Material fördern, sondern auch Staaten und Menschen.
Gerade bei Großprojekten und solchen, die die Umwelt betreffen, ist Bürgerbeteiligung enorm wichtig. Werden die Bürger mit ins Boot geholt?
Stirn: Bei den wenigen Projekte, die es bereits gibt, wurde auch sehr stark versucht, die Menschen miteinzubringen. Generell lässt sich ohne die Einbindung der Bevölkerung heute gar nichts machen – und das ist auch gut so.
Welchen Einfluss würde der maritime Bergbau auf Mensch und Umwelt haben?
Stirn: Die technische Seite ist aus Ingenieurssicht bereits realisierbar. Aus Sicht der Wissenschaft wissen wir generell viel zu wenig über die Tiefsee und die Folgen des maritimen Bergbaus. Gefragt ist ausführliche Forschungsarbeit. Es müsste ein Pilotprojekt gestartet und wissenschaftlich begleitet werden. Man müsste Ausgleichsflächen schaffen, wohin sich die Natur hinzurückziehen kann.
Preisträger Wissenschaft: Dr. Saskia Oldenburg
Dr.-Ing. Saskia Oldenburg erhielt den UMSICHT-Wissenschaftspreis 2016 in der Kategorie Wissenschaft für ihre Dissertation »Konzeptentwicklung für die Qualitätsbeurteilung von Substraten für die Biogasproduktion am Beispiel von bisher nicht energetisch genutzten organischen Reststoffströmen«. Ihre Forschungsarbeit mündete nicht nur in einem Konzept zur Qualitätsbewertung von organischen Abfällen, sondern auch in der Gründung des Start-Ups Goldapfel GbR, das die Energiegewinnung aus Pferdemist praktisch erprobt. Das Start-Up wurde als erstes seiner Art über Crowdfunding finanziert.
Mit welchen wissenschaftlichen Themen beschäftigen Sie sich derzeit?
Dr. Oldenburg: Im Fokus steht die Herausforderung, dass der Energiebedarf zusammen mit der Weltbevölkerung immer weiter ansteigt. Die Deckung dieses Primärenergiebedarfs ist nicht gegeben – zumindest nicht aus regenerativen Energien. Es ist unumstritten, dass viele Energieträger endlich sind, weshalb wir Alternativen brauchen. Jede Alternative bietet natürlich auch Nachteile. Hier müssen wir ansetzen und schauen, wie wir diese minimieren und den Energiebedarf tatsächlich decken können.
Sie haben in Ihrer Dissertation eine Technologie namens PfemGas zum Patent angemeldet. Bitte erzählen Sie uns, worum es dabei geht.
Dr. Oldenburg: Ich habe zusammen mit meiner Doktormutter und einem Studenten ein Aufbereitungsaggregat entwickelt, mit dem Pferdemist direkt in eine Biogasanlage eingespeist werden kann. Das heißt, dass nicht die Technik der Biogasanlage angepasst werden muss, sondern dass man das Substrat – also den Pferdemist – an die Biogasanlage anpasst.
Wie funktioniert die Technik?
Dr. Oldenburg: Der für eine Biogasanlage verwendete Mais hat immer die gleiche Zusammensetzung und den gleichen Energiegehalt. Wir können die Ernte demensprechend beeinflussen. Pferdemist jedoch ist nicht gleich Pferdemist, wir haben mal einen hohen Energieanteil, mal einen geringeren – je nachdem wie das Pferd gehalten wird, was es frisst, wie der Stall ausgestattet ist.
Pferdeboxen sind in der Regel mit Langstroh ausgelegt, das sich um alle beweglichen Teile wickelt, so auch um die Rührwerke einer Biogasanlage, was nicht gewollt ist. Dazu kommen Störstoffe wie Steine, Stricke, Hufeisen und auch Sand, die sich in den Behältern ablagern. Irgendwann wäre kein Platz mehr, um Energie zu erzeugen. Bei unserem Aggregat wird der Pferdemist entweder Prozesswasser oder normalem Wasser zugeführt. Das Wasser wird vermischt und durchgewirbelt, sodass sich die Kotballen auflösen. Über das Becken verteilt herrscht eine laminare Strömung, der Sand und andere schwere Schadstoffe sinken nach unten ab, das gereinigte Stroh wird nach oben getrieben. Hier wird es abgezogen und fällt auf einen Siebboden. Wir können das Stroh zerkleinern und direkt in die Biogasanlage geben. Die Flüssigkeit läuft drei bis vier Mal durchs Becken und reichert sich soweit mit dem aufgelösten Kot an, dass sie ebenfalls direkt in die Biogasanlage gegeben werden kann. Genauso wie zum Beispiel bei Rindergülle. Die Störstoffe und der Sand werden vom Grund entfernt.
Haben organische Abfälle das Potenzial, nachwachsende Rohstoffe in der Biogasproduktion zu ersetzen?
Dr. Oldenburg: Es gibt Hochrechnungen dazu, die sich jedoch nicht umsetzen lassen. Denn, wenn sie zum Beispiel mitten auf dem Land sind, wird der Pferdemist direkt aufs Feld gebracht. Das ist auch gut so, es ist ein toller Dünger. Entscheidend ist unser System für Ballungsgebiete, in denen die Bauern mehr Abfälle haben als sie verwerten oder kompostieren können.
Deutschland ist Vorreiter für Biogastechnik, bereits über 8000 Anlagen sind in Betrieb. Es sollen nicht unendlich viele neue Anlagen gebaut werden, die nur mit diesem speziellen Abfall funktionieren. Vielmehr kann PfemGas helfen, wo wir viel Mais und folglich Monokulturen haben, einen Teil davon zu substituieren. Wichtig ist zudem, dass wir eine internationale Übertragbarkeit unserer Anlagentechnik haben, sodass alternative Substrate, egal ob Pflanzenreste oder verschiedenste organische Abfälle, aufbereiten werden können.