»Ammoniak ist einer von vielleicht zwei oder drei aussichtsreichen Kandidaten, um Wasserstoff besser transportfähig zu machen«

Interview /

Wasserstoff zu transportieren und zu speichern stellt nach wie vor eine enorme Herausforderung dar. Entweder sind hohe Drücke oder tiefkalte Temperaturen nötig – und beides frisst viel Energie. Eine Alternative: Wasserstoff wird via Haber-Bosch-Verfahren in Ammoniak umgewandelt, ohne großen Aufwand transportiert und am Zielort wieder umgewandelt. Dr.-Ing. Andreas Menne, Leiter der Abteilung Low Carbon Technologies am Fraunhofer UMSICHT, ordnet diesen Prozess ein. Außerdem stellt er ein Verfahren vor, das die Rückumwandlung von Ammoniak in Wasserstoff um 20 Prozent effizienter gestaltet als bisherige Ansätze.

Andreas Menne
Dr.-Ing. Andreas Menne, Leiter der Abteilung Low Carbon Technologies am Fraunhofer UMSICHT.

Wasserstoff, Ammoniak, Methanol – wer spielt eigentlich welche Rolle mit Blick auf die Energie- und Rohstoffwende?

Andreas Menne: Ammoniak und auch Methanol gehören zur Klasse der Basischemikalien. Beides sind Stoffe, die in erster Linie genutzt werden, um sie weiterzuverarbeiten. Aus Methanol kann beispielsweise Formaldehyd hergestellt werden – einer der wichtigsten organischen Grundstoffe in der chemischen Industrie. Er kommt u.a. bei der Herstellung von Farb- oder Arzneistoffen zum Einsatz. Ammoniak wird dagegen hauptsächlich für die Produktion von Düngemitteln oder auch als Kältemittel verwendet. Darüber hinaus können beide Chemikalien auch als Energieträger genutzt werden. Dabei ist der große Vorteil des Ammoniaks, dass bei seiner Verbrennung – anders als bei vielen anderen Energieträgern – kein CO2 entsteht, sondern nur Wasser und Stickstoff.

CO2-frei erzeugter Wasserstoff kann vieles sein: Energieträger, Speichermedium für Strom, Rohstoff für die Industrie und emissionsfreier Treibstoff. Allerdings hat er einen großen Nachteil. Er ist schwierig zu lagern und zu transportieren. Für den Transport sind beispielsweise sehr hohe Drücke erforderlich – standardmäßig 700 bar. Alternativ lässt sich der Wasserstoff verflüssigen. Aber dafür sind tiefkalte Temperaturen von unter minus 230 °C nötig. Beides ist mit sehr viel Aufwand verbunden und stellt hohe Anforderungen an die verwendeten Materialien. Faustformel: In die Verflüssigung von Wasserstoff müssen ca. 40 Prozent des Energiegehaltes vom Wasserstoff reingesteckt werden. Je länger die Strecke bzw. Speicherdauer, desto höher wird der Aufwand.

Lässt sich Wasserstoff auch anders – sprich: weniger energieintensiv – transportieren?

Andreas Menne: Da kommt Ammoniak wieder ins Spiel. Es ist einer von vielleicht zwei oder drei aussichtsreichen Kandidaten, um Wasserstoff besser transportfähig zu machen. Schließlich ist Ammoniak von den stofflichen Eigenschaften her mit Flüssiggas zu vergleichen und schon bei 10 bis 12 bar zu verflüssigen. Und der Prozess zur Herstellung von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff ist bereits seit über 100 Jahren bekannt und weitestgehend optimiert. Theoretisch kommt er ohne fossile Rohstoffe und Energieträger aus. Der Name: Haber-Bosch-Verfahren. Um den notwendigen Stickstoff zu gewinnen wird zunächst Luft verflüssigt und anschließend in ihre Komponenten Sauerstoff, Stickstoff, CO2 und Wasser aufgetrennt. In einem nächsten Schritt lässt sich mit Wasserstoff aus einer Elektrolyse in einem Verfahren unter Druck und Temperatur dann Ammoniak herstellen.

Wenn wir also davon ausgehen, dass wir – wie es verschiedene Studien zeigen – in 20/30 Jahren etwa zwei Drittel unserer Energie in Form von Wasserstoff importieren werden, dann wird Ammoniak zu einer sehr spannenden Substanz. Insbesondere wenn der Wasserstoff von weiter weg – beispielsweise aus Nordafrika oder dem Mittleren Osten – zu dezentralen Standpunkten transportiert und dort länger gespeichert werden soll.

Gibt es auch einen Haken?

Andreas Menne: Die größte Herausforderung besteht aktuell darin, Ammoniak wieder in Wasserstoff und Stickstoff umzuwandeln. Das erfordert wieder Energie, und diese sollte möglichst nicht aus fossilen Quellen stammen. Wir möchten deshalb ein Verfahren entwickeln, das rein mit Strom aus erneuerbaren Quellen auskommt, um die benötigte Energie bereitzustellen. Strom hat den Vorteil, dass er nahezu überall verfügbar ist und dadurch auch der Bau von klein skalierten Anlagen möglich ist. Ich denke da beispielsweise an Wasserstofftankstellen, die nicht neben einer Raffinerie stehen oder an ein Wasserstoffnetz angeschlossen sind. Dort könnte die Versorgung mit Wasserstoff über Ammoniak laufen. Gebaut werden sicherlich auch groß skalierte Ammoniak-Anlagen – etwa an Chemieparks oder Häfen. Diese haben dann aber auch die Möglichkeit, über einen Brenner die gesamte Energie sehr effizient einzubringen und überschüssige Wärme, auch in nachgeschalteten Prozessen zu nutzen.

Wie konkret funktioniert die Umwandlung von Ammoniak zurück in Wasserstoff? Und auf welchen Lösungsansatz bauen Ihr Team und Sie?

Andreas Menne: Die Umwandlung geschieht bei vergleichsweise hohen Temperaturen: um die 500 °C. Zudem ist der Prozess stark endotherm. Normalerweise findet ein chemischer Prozess in einem Rohr mit einem Katalysator statt, während außerhalb von diesem Rohr ein Wärmeträger-Medium vorbeigeht – also Heizdampf, Öl oder heißes Gas. Das Problem bei endothermen Reaktionen besteht darin, dass die Wärme von außen nach innen und durch die Wand in das Festbett kommen muss. In der Regel ist das sehr schwierig umzusetzen, weil die Temperaturunterschiede zwischen innen und außen sehr hoch sein müssen. Das heißt: Wenn ich innen 500 °C brauche, benötige ich außen mit Sicherheit 700 bis 800 °C. Um auf solche Temperaturen zu kommen ist sehr viel Brennstoff erforderlich. Eine weitere Schwierigkeit: Das Gas, welches ich am Rohr entlangführe, kommt am Ende immer noch mit 600 Grad raus und müsste eigentlich noch für irgendetwas genutzt werden. Das schaffe ich aber nur in Verbindung mit großen Anlagen. An dezentralen Standorten ist das quasi nicht möglich. Deswegen ist dort z. B. die Strombeheizung, die wir ins Auge gefasst haben, die deutlich effizientere Möglichkeit.

Unser Ansatz: Wir bringen die Wärme nicht von außen ein, sondern direkt in den Katalysator. Dadurch können wir bei deutlich geringeren Temperaturen arbeiten und haben nicht diese große Überschuss-Energie. Konkret versprechen wir uns von diesem Verfahren, dass es die Effizienz bereits existierender Prozesse um wenigstens 20 Prozent verbessert. Das wäre in der Verfahrenstechnik ein wahrer Quantensprung. Heutzutage sind die meisten Prozesse soweit optimiert, das eigentlich schon 5 Prozent viel sind. Zudem können wir bei moderaten Drücken arbeiten, da eine dadurch bedingte dickere Rohrwand die Wärmeleitung in unserem Fall nicht negativ beeinflusst. Ein höherer Prozessdruck erlaubt aber später eine einfachere Abtrennung des Wasserstoffs vom Stickstoff und verringert die benötigte Verdichterleistung für nachfolgende Prozesse. Denn dies geschieht in der Regel immer unter Druck.

Wie weit sind Sie mit Ihrer Arbeit?

Andreas Menne: Ich bin überzeugt, dass wir es noch in diesem Jahr schaffen, den ersten Prototyp einer Anlage zu bauen. Darin wollen wir ca. 1 kg Wasserstoff in der Stunde herstellen und bräuchten dafür etwas mehr als 6 kg Ammoniak. Vielleicht zur Einschätzung: Wenn ich ein Wasserstoff-Auto mit ca. 5 kg Wasserstoff betanke, komme ich damit knapp 500 km weit.

Schlussendlich ist unser Ziel, mit unserem Prototypen günstiger zu sein als ein Elektrolyseur, den man sich für die gleiche Menge an Wasserstoff hinstellt. Auf dem Papier klappt es bisher. Die Realität sieht natürlich immer anders aus. Wenn aber alles so funktioniert, wie wir es ausgerechnet haben, dann sind wir in allen Parametern günstiger und kommen auf 60 Prozent der Kosten eines vergleichbaren Elektrolyseurs.