»Wir haben den Herstellungsprozess für Aerogele revolutioniert«

Interview /

75 Prozent aller Gebäude in der EU sind nicht energieeffizient. Der European Green Deal gibt ebenfalls die Richtung vor: In der Bauindustrie sind neue, funktionale und kostengünstige Werkstoffe gefragt. Denn innovative Dämmungen bieten großes Potenzial, um Energie einzusparen und CO2 zu reduzieren. Aerogele kommen in Nischenanwendungen bei Fassadendämmungen bereits zum Einsatz, allerdings ist ihr Preis sehr hoch. Fraunhofer UMSICHT ist es nun gelungen, den bisher noch kostenintensiven Prozess zur Herstellung von Aerogelen zu revolutionieren. Nils Mölders, Abteilungsleiter Produktentwicklung, berichtet vom ersten Auftrag, der ersten Idee und der Planung der ersten industriellen Anlage zur kostengünstigen Herstellung des Hochleistungsdämmstoffs.

© Fraunhofer UMSICHT/Mike Henning
Nils Mölders (l.) zusammen mit Manfred Renner vor der Aerogel-Anlage des Fraunhofer UMSICHT.

Was ist ein Aerogel?

Aerogel ist eigentlich der leichteste bekannte Feststoff, er ist hochporös und besteht bis zu 99,8 Prozent aus Luft. Die Poren sind so klein, dass sich ein Luftmolekül kaum bewegen kann – somit findet nahezu kein Wärmetransport mehr statt. Sie sind thermische Superisolatoren, die perfekt zum Dämmen geeignet sind. Weiterhin sind sie funktionalisierbar, modellierbar, recycelbar und in diversen Formen im Gießprozess herzustellen. Eingebracht in einen Wärmedämmputz wird nur die halbe Auftragsstärke im Vergleich zu Styropor oder Dämmwolle benötigt – die Isolationsleistung des Aerogelputzes ist also doppelt so hoch.

Wenn sie so perfekt geeignet sind, warum kommen sie noch nicht so oft zum Einsatz?

Die Herstellung der Aerogele ist sehr kostenintensiv. Derzeit kommen sie nur in Nischenanwendungen zum Einsatz. Sie werden in einem hochpreisigen Batchprozess produziert und sind somit preislich kaum konkurrenzfähig. Weltweit gibt es auch nur ca. 50 Firmen, die Aerogele produzieren.

Wie kam Fraunhofer UMSICHT dazu, den Prozess zur Herstellung der Aerogele neu zu entwickeln?

Wir arbeiten schon länger mit der Firma Cerabran zusammen, einem Produzenten und Anwender von Wärmedämmputzen auf Basis von Aerogelen. Sie nutzen den Putz z. B. für die Renovierung historischer Gebäude oder zur Altbausanierung etc., da aerogelbasierter Dämmputz individuell modellierbar ist. Sie kamen im Jahr 2015 direkt mit dem Auftrag auf uns zu, Aerogele zu entwickeln, die die gleichen Isolationswerte aufweisen, aber signifikant weniger kosten.

Welche Idee hat dann gezündet?

Das bisherige Herstellungsverfahren besteht aus vielen aufeinanderfolgenden Prozessen. Aerogele werden aus wässrigen oder alkoholischen Lösungen durch Gelierung und anschließende Trocknungsverfahren gewonnen. Unsere Grundidee war, verschiedene Schritte gleichzeitig ablaufen zu lassen z.B. mithilfe von überkritischem CO2. Die ersten Jahre haben wir dann damit verbracht, zunächst in der Hochdrucksichtzelle jeden Schritt isoliert zu betrachten und dann letztendlich im Technikumsmaßstab auszuprobieren, wie die Schritte miteinander gekoppelt werden können. Die Freude war riesig, als wir verschiedene Zwischenschritte einsparen konnten, und das Ergebnis dann genau so war, wie wir es uns wünschten: sphärische Aerogele. Es ist uns auf diesem Weg gelungen, einen energieeffizienten und kostengünstigen Prozess zu entwickeln.

Wie geht es jetzt weiter?

Unsere bisherigen Versuche fanden in unserer Technikumsanlage statt. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung des industriellen Upscalings. Unsere Patente sind angemeldet. Die Produktionsanlage unseres Kunden Cerabran mit einer Kapazität von 5000 Tonnen pro Jahr ist derzeit in Planung und soll im Jahr 2024 in Betrieb genommen werden.

Der Prozess klingt sehr vielversprechend, die Baubranche stellt einen großen potenziellen Markt dar. Sind evtl. noch andere Anwendungen denkbar?

Die Baubranche wäre auf jeden Fall ein sehr großer Abnehmermarkt. Aber es gibt auch noch andere Anwendungsbereiche, bei denen Leichtbaumaterialien relevant sind wie z.B. im Automobilbereich, im Schiffs- oder Flugzeugbau – oder auch für andere Dämmanwendungen wie z.B. für Kühlschränke.

Förderhinweis:
Das Projekt »Aerolight« wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über den Projektträger Jülich (PTJ) gefördert. (FKZ: 03LB4006, Laufzeit: 1.4.2021 - 31.3.2024)