Green Hydrogen
»Wir sehen uns als Entwicklungspartner mit starkem Fokus auf Werkstoffe, Verfahren und Plattenkonzepte«
Fraunhofer UMSICHT befasst sich seit über zehn Jahren mit der Entwicklung von Komposit-Bipolarplatten. Herzstück: ein patentiertes Pulver-zu-Rolle-Verfahren, mit dessen Hilfe die Platten material- und ressourcenschonend sowie in geringen Materialstärken hergestellt werden können. Im Interview sprechen Prof. Dr.-Ing. Anna Grevé und Dr.-Ing. Michael Joemann aus unserer Abteilung Elektrochemische Energiespeicher über Vorteile gegenüber anderen Technologien, Einsatzmöglichkeiten und Potenziale, laufende Forschungsprojekte und Optionen für eine Zusammenarbeit.

Was unterscheidet unsere Komposit-Bipolarplatten von bestehenden Biopolarplattentechnologien?
Anna Grevé: Unsere Komposit-Bipolarplatten zeichnen sich durch eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen aus. Zunächst einmal bieten sie eine deutlich dünnere Plattengeometrie als klassische Kompositplatten. Unser Zielwert für die Materialdicke der Halbschalen in Brennstoffzellen liegt bei 300 µm – nicht zu verwechseln mit der Bauteilhöhe inklusive Flowfield. Möglich macht das ein folienbasierter Ansatz, der eine Umformung ähnlich wie bei metallischen Platten zulässt – beispielsweise durch Walzenprägung. Herkömmliche Verfahren wie Spritzguss oder Fräsen erreichen hier oft ihre Grenzen.
Michael Joemann: Ein weiterer Vorteil ist der Verarbeitungsprozess. Er erlaubt uns, sehr hohe Füllgrade zu erreichen – mit positiven Auswirkungen auf die Leitfähigkeit der Platten. Selbst hohe Anteile feiner Fraktionen wie Carbon Black sind realisierbar, da der Kalandrierprozess mit der resultierenden Viskosität besser zurechtkommt als z. B. Spritzgussverfahren oder Plattenextrusion. Zudem garantiert der Prozess, dass die thermoplastischen Eigenschaften des Binderpolymers erhalten bleiben. Dadurch ist eine kontinuierliche Produktion durch Kalandrieren möglich und sind wir in der Lage, großflächige Bipolarplatten wirtschaftlich und reproduzierbar herzustellen.
Darüber hinaus eröffnen diese Materialien auch Möglichkeiten zu Reparierbarkeit, Verschweißbarkeit und potenziellen Rezyklierbarkeit. Das bedeutet u. a. neue Freiheitsgrade in Gestaltung, Integration und Skalierung von Brennstoffzellen durch ein dichtungsfreies und vollverschweißbares Stackdesign.
In welchen Branchen seht ihr das größte Potenziale für den Einsatz von Komposit-Bipolarplatten?
Michael Joemann: Das größte Potenzial für den Einsatz unserer Komposit-Bipolarplatten sehen wir in der Wasserstoffwirtschaft. Insbesondere im Bereich mobiler Brennstoffzellensysteme in Nutzfahrzeugen, Schiffen oder Zügen. Wo chemische Beständigkeit, Langlebigkeit und Gewicht eine Rolle spielen, stoßen metallische Platten aufgrund von Korrosion oder komplexer Beschichtung an ihre Grenzen. Auch bei stationären Systemen für Notstrom- oder Netzersatzlösungen punkten wir mit niedrigen Materialkosten, Beständigkeit und Anpassbarkeit.
Anna Grevé: Wachsende Anwendungspotenziale sehen wir darüber hinaus in elektrochemischen Kompressoren oder CO2-Umwandlungsprozessen – beides Systeme mit hohen Anforderungen an chemische Stabilität und Materialgestaltung. Ein weiterer Trend, den wir beobachten, ist der Übergang zu größeren Zellflächen im Stackdesign – insbesondere im Heavy-Duty-Bereich, wo Produkte, Geräte oder Anwendungen für besonders anspruchsvolle oder belastende Bedingungen ausgelegt sind.
Welche Herausforderungen sind bei der Entwicklung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen zu beachten?
Michael Joemann: Bei der Entwicklung von Bipolarplatten – insbesondere im Bereich der Brennstoffzelle – treffen eine Vielzahl technischer Anforderungen aufeinander, die sich teils gegenseitig beeinflussen oder widersprechen. Eine Bipolarplatte muss elektrisch leitfähig, gasdicht, mechanisch stabil und gleichzeitig korrosionsbeständig sein – und das über viele Tausend Betriebsstunden hinweg, bei wechselnden Temperaturen, Feuchtigkeitsverhältnissen und Medien.
Bei Kompositmaterialien kommt hinzu, dass diese Eigenschaften nicht aus einem einzigen Werkstoff stammen, sondern durch die gezielte Kombination leitfähiger Füllstoffe, polymerer Bindemittel und geeigneter Prozessparameter eingestellt werden müssen. Den optimalen Kompromiss zwischen elektrischer Leitfähigkeit, Gasdichtigkeit, mechanischer Stabilität und Verarbeitbarkeit zu finden, ist eine der zentralen Entwicklungsaufgaben.
In unseren Projekten haben wir gelernt, dass Materialentwicklung sowie Zell- und Stackentwicklung eng verzahnt sein und gemeinsam optimiert werden müssen, um das volle Potenzial des Materials auszuschöpfen. Das US Department of Energy hat ambitionierte Kriterien für Bipolarplatten definiert, die in der Branche oft als Benchmark gelten. Die Anforderungen sind technisch anspruchsvoll – umso mehr freut es uns, dass wir heute sämtliche Zielwerte erfüllen können. Das war ein intensiver Weg über mehrere Jahre, mit vielen Entwicklungsschritten. Rückblickend sind wir sehr stolz auf das, was wir in den vergangenen fünf Jahren erreicht haben.
Anna Grevé: Ein weiterer kritischer Aspekt ist die serientaugliche Fertigung. Von der Rohstoffverfügbarkeit über die reproduzierbare Formgebung – z. B. per Kalander-, Press- oder Spritzgießverfahren – bis hin zur Integration in bestehende Stackdesigns müssen alle Fertigungsschritte prozesssicher, kosteneffizient und skalierbar sein. Die Entwicklung von Bipolarplatten ist damit eine klassische Systemaufgabe: Werkstoff, Geometrie und Fertigung müssen in enger Wechselwirkung betrachtet und auf die jeweilige Anwendung hin abgestimmt werden.
Wie kann Fraunhofer UMSICHT helfen, diese Herausforderungen zu meistern?
Anna Grevé: Wir betrachten die Entwicklung von Bipolarplatten systemisch. Das heißt: Wir verbinden materialwissenschaftliche Kompetenz mit Prozessentwicklung und einer klaren Ausrichtung auf die Anforderungen der Industrie. Das beginnt bei der Auswahl geeigneter Rohstoffe, geht über die Formulierung und Verarbeitung der Kompositmaterialien bis hin zur Integration in reale Zell- und Stackumgebungen.
Ein wesentlicher Beitrag liegt darin, dass wir das Zusammenspiel aus Material, Struktur, Oberfläche und Prozess ganzheitlich analysieren und optimieren können. Für unsere Industriepartner bedeutet das: Sie bekommen keine Laborlösung, sondern eine anwendungsnahe, skalierbare Technologie – abgestimmt auf ihre spezifischen Anforderungen.
Michael Joemann: Vielleicht ein paar Beispiele, um unser Portfolio konkreter zu machen: In der Materialentwicklung konzentrieren wir uns auf Auswahl und Formulierung geeigneter Polymer-Füllstoff-Kombinationen, die an die elektrischen, thermischen und mechanischen Anforderungen für Brennstoffzellen angepasst sind. Im Bereich des Oberflächen- und Grenzflächendesigns entwickeln wir Verfahren zur gezielten Einstellung von Kontaktwiderstand, Hydrophilie oder Hydrophobie sowie Haftung – beispielsweise durch Laserprozesse (in Kooperation mit dem Fraunhofer ILT) oder funktionelle Additive.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Prozesstechnik: Wir bauen kontinuierliche Fertigungsschritte wie die Kalandertechnik (Folienherstellung, Walzenprägen und Laserablation) auf, um die wirtschaftliche Produktion dünner Bipolarplatten zu gewährleisten. Schließlich begleiten wir unsere Partner durch alle Stufen der Technologieentwicklung mit Validierung und Testing. Beginnend bei der Plattenprüfung, die Aspekte wie Leitfähigkeit, Gasdichtigkeit und mechanische Stabilität umfasst.
Anna Grevé: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir uns als Entwicklungspartner mit starkem Fokus auf Werkstoffe, Verfahren und Plattenkonzepte sehen. Wir bringen neue Lösungen in die industrielle Diskussion und übersetzen Forschungsergebnisse in technologieverwertbare Ansätze.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Produktion unserer Bipolarplatten?
Michael Joemann: Nachhaltigkeit spielt für uns eine zentrale Rolle – sowohl aktuell als auch mit Blick auf die zukünftige Ausrichtung unserer Entwicklungen. Zum einen haben unsere Materialien das Potenzial der Rezyklierbarkeit. Darüber hinaus sind bereits in den laufenden Projekten »HyCoFC – Langzeitstabile Brennstoffzellentechnologie durch innovative Hybrid-Compound Bipolarplatten« und »BiFoilStack – Entwicklung von Stack-Designs für NT-PEM-Brennstoffzellen mit neuartigen Compound-Bipolarfolien« systematische Life Cycle Assessments (LCA) verankert. Mit ihrer Hilfe evaluieren wir den ökologischen Fußabdruck unserer Bipolarplatten. Erste Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass unsere Lösung gegenüber metallischen Bipolarplatten ein bis zu 68 Prozent geringeres Treibhauspotenzial (GWP) aufweist – bei vergleichbarer Funktionalität.
Wie stellen wir sicher, dass unsere Lösungen den Anforderungen der Industrie entsprechen und marktgerecht sind?
Anna Grevé: Unser Anspruch ist es, Technologien zu entwickeln, die nicht nur im Labor funktionieren, sondern seriennah, prozesssicher und wirtschaftlich attraktiv sind. Um das zu erreichen, orientieren wir uns in allen Entwicklungsphasen eng an den Anforderungen der Industrie – technisch wie wirtschaftlich.
Ein zentraler Baustein ist unsere kontinuierlich ausgelegte Prozesslinie zur Herstellung von Komposit-Bipolarplatten: Von der Formulierung der Rohstoffe über das Kalanderverfahren bis zur präzisen Walzenprägung von Strömungsstrukturen entwickeln und erproben wir unsere Lösungen unter realitätsnahen Bedingungen.
Darüber hinaus stehen wir im engen Austausch mit Industriepartnern aus den Bereichen Stackentwicklung, Systemintegration und Anlagenbau. Dieser Dialog ist essenziell, um Anforderungen frühzeitig aufzunehmen, Rückmeldungen direkt in die Entwicklung einfließen zu lassen und eine technologische Anschlussfähigkeit zu gewährleisten.
Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Fraunhofer UMSICHT gibt es?
Michael Joemann: Die Zusammenarbeit mit Fraunhofer UMSICHT kann auf verschiedene Weise gestaltet werden, um spezifische Anforderungen optimal zu erfüllen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Kunden uns direkt mit der Entwicklung von Lösungswegen für Bipolarplatten-Fragestellungen beauftragen. In einem ersten Gespräch klären wir gemeinsam die Rahmenbedingungen und erarbeiten, wie wir das Unternehmen mit unserem Know-how und unserer Infrastruktur erfolgreich unterstützen können. Daraufhin erstellen wir ein Angebot und gehen in die iterative Materialentwicklung, inklusive Charakterisierung.
Eine weitere Option ist die Zusammenarbeit im Rahmen von Verbundprojekten. Hierbei können wir gemeinsam mit mehreren Partnern an Lösungen arbeiten – oft im Rahmen öffentlicher Förderungen. Wir greifen auf ein umfangreiches Netzwerk aus Industrie, Forschung und Gesellschaft sowie auf die Ressourcen der Fraunhofer-Institute zurück. Dabei sind wir routiniert in der Auswahl geeigneter Förderprogramme und der Projektbeantragung und bringen innovative Impulse in die Bearbeitung ein. Der anschließende Transfer in den Markt erfolgt dann gemeinsam mit den Partnern.
Anna Grevé: Zusätzlich bieten wir die Möglichkeit der Lizenzierung. Die Einräumung von Lizenzen an unseren Schutzrechten kann auf unterschiedliche Weise erfolgen und wird individuell abgestimmt. In persönlichen Gesprächen besprechen wir die passenden Schritte und stimmen die Rahmenbedingungen für das jeweilige Geschäftsmodell und Unternehmen ab.
Wie sahen die Anfänge der Forschung zu Bipolarplatten bei Fraunhofer UMSICHT aus?
Anna Grevé: Unsere Arbeiten im Bereich Bipolarplatten begannen ursprünglich im Kontext stationärer Energiespeicher – konkret bei Vanadium-Redox-Flow-Batterien. Ziel war es, eine Bipolarfolie zu entwickeln, die ein dichtungsfreies und vollverschweißbares Stackdesign erlaubt. Der entscheidende Impuls kam bei einem Besuch in unserem Kunststofftechnikum in Willich, wo uns auffiel: Die dort vorhandene Kalanderanlage könnte sich hervorragend für eine kontinuierliche Plattenfertigung eignen. Auf dieser Grundlage entstand ein neuartiger Fertigungsprozess, den wir patentieren konnten und der im Projekt KontiFlex gemeinsam mit einem Industriepartner zur kontinuierlichen Herstellung weiterentwickelt wurde.
Die damalige Technologie zur Redox-Flow-Anwendung wurde später an das Spin-off Volterion lizenziert. Parallel dazu haben wir am Institut begonnen, die zugrundeliegende Material- und Prozesstechnologie für die Anforderungen in der Brennstoffzelle weiterzuentwickeln. Seit etwa 2020 arbeiten wir gezielt an dieser Übertragung – mit Fokus auf mobile Anwendungen, die besonders hohe Anforderungen an die Lebensdauer und die Leistungsdichte stellen.
Gab es weitere wichtige Meilensteine? Und in welche Richtung soll es in Zukunft gehen?
Michael Joemann: Auf Projektebene ist das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Verbundprojekt BiFoilStack besonders prägend: Es zeigt, wie unsere Technologie auch im mobilen Brennstoffzellenbereich großes Potenzial besitzt – vor allem dort, wo Gewicht, Volumen und Beständigkeit entscheidende Kriterien sind. Auch HyCoFC trägt maßgeblich dazu bei, neue Erkenntnisse zu gewinnen – etwa zur Prozessintegration und zum Umgang mit unterschiedlichen Substratmaterialien. Im Vordergrund des Projekts steht die Entwicklung einer kostengünstigen und skalierbaren Fertigungsmethode für Hybrid-Compound-Bipolarplatten (Hy-Co-BPP) sowie eines maßgeschneiderten Brennstoffzellen-Stack-Konzepts. Hauptziel ist die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Langzeitstabilität von Brennstoffzellen. Die Hy-Co-BPP besteht aus einer metallischen Trägerfolie (Materialdicke ca. 100 µm) und einer leitfähigen Compound-Folie (Materialdicke ca. 150 µm) – wobei die Compound-Folie als korrosionsstabile Beschichtung dient, während die metallische Trägerfolie für die mechanische Stabilität sorgt.
In den kommenden Monaten möchten wir insbesondere die Weiterentwicklung des Walzenprägens vorantreiben und an der weiteren Verbesserung der mechanischen Eigenschaften arbeiten. Im Projekt PolyFoleR haben wir vielversprechende Ansätze zur Faserverstärkung und strahleninduzierten Vernetzung identifiziert, die wir nun weiterverfolgen wollen. Ab Frühjahr 2026 steht uns ein neues Hochtemperatur-Walzwerk zur Verfügung, mit dem wir prüfen können, wie sich Technische Polymere wie PPS im Pulver-zu-Rolle-Verfahren verarbeiten lassen.
Anna Grevé: In Zukunft wollen wir diese Entwicklungen weiter industrialisieren und gezielt auf Anwendungen zuschneiden, in denen die Vorteile von Kompositlösungen besonders gut zur Geltung kommen – z. B. in Brennstoffzellensystemen für Nutzfahrzeuge oder maritime Anwendungen. Darüber hinaus haben wir auch den Einsatz in Elektrolyse-Stacks im Blick. Denn: Bipolarplatten auf Kohlenstoffbasis sind eine kosteneffizientere und skalierbare Alternative zu Bipolarplatten aus Titan.
Zudem sehen wir Wertschöpfungspotenziale durch die Integration in bestehende Kunststoffverarbeitungsketten – etwa bei der Kombination mit Thermoform- oder Schweißprozessen. Auch die Verknüpfung mit anderen UMSICHT-Kompetenzen – etwa im Bereich Digitalisierung, nachhaltige Materialien oder CO₂-Reduktion – wird in Zukunft eine größere Rolle spielen. Unser Ziel ist klar: Technologien mit industrieller Anschlussfähigkeit, die sich in realen Anwendungen bewähren und einen messbaren Beitrag zur Transformation der Energiesysteme leisten.
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