Umweltwissenschaften studieren

»Unser Anspruch ist, Bildung für nachhaltige Entwicklung auf höchstem Niveau zu liefern«

Interview /

Seit 25 Jahren steht das Interdisziplinäre Fernstudium Umweltwissenschaften (infernum) – angeboten von der FernUniversität in Hagen in wissenschaftlicher Kooperation mit Fraunhofer UMSICHT – für erfolgreiche Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dieses Jubiläum nimmt Anja Gerstenmeier, Leiterin der Abteilung UMSICHT Akademie und der infernum-Geschäftsstelle bei Fraunhofer UMSICHT, zum Anlass für eine Zeitreise in Interviewform: von den Anfängen mit 43 Studierenden und klassischen Studienbriefen bis zum bedarfsorientierten Blended-Learning-Konzept, das aktuell über 500 Studierenden eine Qualifizierung in Umweltwissenschaften und Nachhaltigkeit ermöglicht.

Anja Gerstenmeier
Anja Gerstenmeier, Leiterin der Abteilung UMSICHT Akademie und der infernum-Geschäftsstelle bei Fraunhofer UMSICHT.

Wie ist die Idee zum gemeinsamen Studiengang entstanden?

Anja Gerstenmeier: Auf Seiten von Fraunhofer UMSICHT war es der damalige Institutsleiter Prof. Weinspach, der die Idee hatte, eine Hochschule in Oberhausen anzusiedeln. Gleichzeitig plante die FernUniversität in Hagen, einen Fachbereich Umweltwissenschaften zu gründen, und suchte dafür einen naturwissenschaftlich-technischen Partner. Mit ihren jeweiligen Ideen führten beide Institutionen unabhängig voneinander Gespräche im Wissenschaftsministerium des Landes NRW. Dort hatte dann jemand die zündende Idee, UMSICHT und FernUniversität zusammenzubringen. Der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte.

 

Was zeichnet infernum aus?

Anja Gerstenmeier: infernum hat ein Alleinstellungsmerkmal, das seit vielen Jahren den Erfolg des Studiengangs ausmacht: die Kombination aus Interdisziplinarität, Fächervielfalt und Flexibilität. Andere Weiterbildungsangebote in den Bereichen Umweltwissenschaften und Nachhaltigkeit erfüllen davon durchaus auch ein oder zwei Punkte, bieten jedoch nicht die Kombination der drei Punkte in einer Qualität wie das infernum-Studienangebot. Wir können dies insbesondere dank des Kooperationsmodells – also der Zusammenarbeit zwischen FernUniversität und Fraunhofer UMSICHT als gemeinsame Anbieter des Studienangebots – ergänzt um weitere Partner wie die Universität Lüneburg, das Alfred-Wegener-Institut und das Wuppertal-Institut.

Darüber hinaus sind es natürlich die Menschen, die infernum ausmachen: unser sehr großes Netzwerk von Lehrenden, die wissenschaftliche Leitung, die Teams der beiden Geschäftsstellen in Hagen und Oberhausen. Alle sind hoch engagiert, motiviert und immer bereit, persönlich und individuell auf unsere Studierenden und Interessierte einzugehen. Unser Anspruch ist, Bildung für nachhaltige Entwicklung auf höchstem Niveau zu liefern. Und das nehmen wir sehr ernst.

 

Was verbirgt sich hinter dem Dreiklang Interdisziplinarität, Fächervielfalt und Flexibilität?

Anja Gerstenmeier: Das infernum-Curriculum ist in drei Bereiche unterteilt. Der erste umfasst die Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und wird federführend von der FernUniversität gestaltet. Der zweite Bereich beinhaltet die Natur- und Ingenieurwissenschaften, der federführend von Fraunhofer UMSICHT gestaltet wird. In diesen beiden Bereichen erwerben die Studierenden umweltrelevantes Grundlagen- und Methodenwissen der unterschiedlichen Fachgebiete und lernen die Perspektiven der Fachgebiete auf umweltwissenschaftliche Fragestellungen kennen. Der dritte Bereich umfasst die sogenannten interdisziplinären Querschnittsthemen. In ihm werden die umweltwissenschaftlichen Themen aus Sicht mehrerer Fachdisziplinen der Bereiche 1 und 2 beleuchtet.

Die drei Bereiche des Curriculums umfassen insgesamt ca. 20 Lehrmodule. Diese werden ergänzt durch modulübergreifende Seminare im Präsenz- und Onlineformat, in denen aktuelle umweltwissenschaftliche Themen aufgegriffen und disziplinenübergreifend diskutiert werden.

Ein Beispiel: In unserem Präsenzseminar zum Thema Wasserstoff spielen sowohl naturwissenschaftliche und technologische Perspektiven als auch politische und psychologische Aspekte eine Rolle. Durch diese Herangehensweise lernen die Studierenden, wie komplex und herausfordernd Nachhaltigkeit ist. Sie verstehen, dass es oft keine einfachen Lösungen gibt und dass verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten müssen, um Antworten auf umweltwissenschaftliche Fragestellungen zu finden.

Im Vergleich zu Wettbewerbern, die weniger Fächervielfalt bieten und seitens des Anbieters fachliche Schwerpunkte setzen, zeichnet sich infernum durch dieses vielfältige fächerübergreifende Curriculum aus, in dem die Studierenden selbst, je nach Vorbildung, Interesse und Zielen, die inhaltlichen Schwerpunkte setzen können.

Flexibilität schließlich bedeutet, dass das Studienangebot optimal auf die Bedarfe von Berufstätigen ausgerichtet ist, die flexibel und passend zu ihrem jeweiligen Berufsleben und ihrer familiären Situation studieren. So können die Studierenden jederzeit einsteigen und Module belegen. Einen festen Semestertakt wie an klassischen Universitäten und Hochschulen gibt es nicht. Die klassischen Klausuren gibt es ebenfalls nicht, sondern es gelten für jeden Studierenden individuelle Fristen für Studien- und Prüfungsleistungen, und auch längere Pausen können eingelegt werden.

 

Und wer sind eure Studierenden?

Anja Gerstenmeier: Bei uns sind im Grunde alle Disziplinen vertreten – Ingenieurinnen, Naturwissenschaftler aller Fachrichtungen, Juristinnen, Betriebs- und Volkswirtschaftler, Ökonominnen, Ärzte, Theologinnen, PR-Leute… Und alle bringen unterschiedliche berufliche Hintergründe, Zielsetzungen und Motivationen mit.

Unser Ziel: diese heterogene Studierendenschaft mit komplementärem Wissen zu versorgen und in die Lage zu versetzen, die Sprache der jeweils anderen Disziplinen zu verstehen und in interdisziplinären Teams arbeiten zu können. Und da kommt auch wieder die Flexibilität ins Spiel: Die Studierenden stellen sich ihre Studieninhalte größtenteils selbst zusammen und entscheiden, welches Know-how sie sich – ergänzend zu ihrem eigenen fachlichen Hintergrund – aneignen wollen.

 

War das auch die Grundidee, mit der ihr vor 25 Jahren gestartet seid?

Anja Gerstenmeier: Unser Ansatz war von Anfang an, ein interdisziplinäres umweltwissenschaftliches Studienangebot bereitzustellen, das dazu befähigt, Problemstellungen im Umweltbereich zu lösen. Auch Berufstätige waren von Anfang an unsere Zielgruppe. Im Verlauf der vergangenen 25 Jahre haben wir unser Studienangebot natürlich sowohl inhaltlich als auch organisatorisch-strukturell immer wieder an aktuelle Erfordernisse angepasst und optimiert. Dieser Prozess wird jedoch nie abgeschlossen sein. Um auf dem Weiterbildungsmarkt weiterhin erfolgreich zu sein, müssen wir das Studienangebot kontinuierlich zukunftsfähig halten.

 

Eine solche optimierende Entwicklung hat vermutlich auch im Bereich Didaktik stattgefunden…

Anja Gerstenmeier: Definitiv. Gestartet sind wir mit den klassischen Studienbriefen. Sprich: rein schriftliches Material, das die Studierenden zu Hause durchgearbeitet haben. Inzwischen setzen wir auf ein Blended-Learning-Konzept: Abhängig von Lehrinhalten und -zielen erfolgt die Wissensvermittlung über eine Kombination von Studienbriefen, E-Learning sowie Online- und Präsenzseminaren.

 

Wie stellt ihr sicher, dass Formate und Inhalte sowohl aktuell als auch an den Bedarfen der Studierenden ausgerichtet bleiben?

Anja Gerstenmeier: Wir sind da sehr dynamisch aufgestellt. Auf der einen Seite führen wir regelmäßig Evaluationen durch und fragen unsere Studierenden und Absolvent*innen, was wir besser machen können. Dieses Feedback nehmen wir sehr ernst und greifen immer wieder Anregungen und Kritik auf, um infernum weiter zu verbessern. Gleichzeitig haben wir immer im Blick, welche Entwicklungen sich im Bereich Didaktik abspielen. Was aber nicht heißt, dass wir direkt auf jeden Zug aufspringen. Lehrformate wie beispielsweise E-Learning dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Sie müssen einen Mehrwert für den Lernerfolg haben, damit sie funktionieren. Wir prüfen immer, ob das Format zu unserer Zielgruppe, unseren Zielsetzungen und auch zu unseren Qualitätsansprüchen passt.

Auf der anderen Seite haben wir die Qualität unseres Curriculums, insbesondere mit Hilfe eines Ampelsystems für die Aktualität der Lehrinhalte, systematisch und kontinuierlich im Blick: Gibt es Inhalte, die veraltet sind? Wo muss aktualisiert werden, weil sich z.B. gesetzliche Rahmenbedingungen oder Technologien verändert haben? Und welche Themen sollten wir ganz neu aufnehmen?

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Es fließt seit einem Vierteljahrhundert wirklich viel Arbeit in infernum…

Anja Gerstenmeier: …und unsere Studierenden schätzen das sehr. Das zeigen sowohl die regelmäßigen Befragungen als auch ein Blick auf die Zahlen: Wir sind 2000 mit 43 Studierenden gestartet. Aktuell sind mehr als 500 Personen eingeschrieben, und wir freuen uns über bislang mehr als 2000 Absolventinnen und Absolventen des Masterstudiengangs und des Zertifikatsstudiums.

Darüber hinaus erhalten wir auch regelmäßige Auszeichnungen für unsere Arbeit. Erst im vergangenen Jahr haben uns die Deutsche UNESCO-Kommission und das Bundesforschungsministerium die »Nationale Auszeichnung – Bildung für nachhaltige Entwicklung« verliehen. Zum insgesamt siebten Mal übrigens, wenn man auch die entsprechenden Auszeichnungen im Rahmen der Vorgängerprogramme berücksichtigt.

 

Was sind neben diesen Auszeichnungen Meilensteine, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Anja Gerstenmeier: Auf jeden Fall der eigentliche Startschuss im November 2000, bei dem ich auch schon dabei war – damals noch in der Rolle der Projektkoordination. Dann die Erstakkreditierung zum Masterstudiengang drei Jahre später. Und auch unsere letzte Reakkreditierung vor drei Jahren. Die ist nämlich ohne Auflagen für neun Jahren bewilligt worden, was wirklich selten ist.

Ein Highlight aus 2024: Das Bundeswirtschaftsministerium hat den infernum-Matserstudiengang in sein internes Aufstiegsprogramm aufgenommen, das Beschäftigen den Aufstieg in den höheren Dienst ermöglicht. Nach der Bundestagswahl hat sich allerdings der Ressortzuschnitt des Ministeriums geändert: Der Klimaschutz ist wieder rausgefallen und die Zusammenarbeit mit infernum kann im Bundeswirtschaftsministerium zunächst nicht fortgeführt werden.

 

Gibt es schon Pläne für die weitere Entwicklung von infernum?

Anja Gerstenmeier: Inhaltlich wollen wir relativ zeitnah ein Modul zur Klimaanpassung ins Curriculum aufnehmen. Auch die Themen Biodiversität und Bildung für nachhaltige Entwicklung haben wir im Visier. Und natürlich müssen wir uns mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzen und klare Rahmenbedingungen für unsere Studierenden vor allem im Hinblick auf Studien- und Prüfungsleistungen schaffen. Erste Schritte in diese Richtung haben wir schon unternommen.

 

Und zum Abschluss: Was war das bislang schönste Studierendenfeedback, das bei dir eingegangen ist?

Anja Gerstenmeier: Es gehen immer wieder sehr schöne und auch sehr wertschätzende Rückmeldungen bei uns ein. Was mir im Gedächtnis hängengeblieben ist, ist das Feedback eines Studierenden in einer Seminarevaluation, der seine Zufriedenheit kurz und knapp auf den Punkt gebracht hat: »Läuft« – mit einem Smiley dahinter.

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