Vier Fragen an ...

... Dr.-Ing. Heiko Lohmann und Dr.-Ing. Thomas Wiesmann vom Fraunhofer UMSICHT

Interview vom 07.10.2021

Heiko Lohmann (l.) und Thomas Wiesmann
Heiko Lohmann (l.) und Thomas Wiesmann

Als Wissenschaftler des Fraunhofer UMSICHT arbeiten Sie in der angewandten Forschung und beschäftigen sich im Verbundprojekt mit der Katalysatorentwicklung und -testung. Was wurde aus dieser Perspektive betrachtet bislang in Carbon2Chem® erreicht?

Heiko Lohmann: Das Fraunhofer UMSICHT hat im Rahmen des Teilprojekts L-IV durch umfangreiche Katalysatortests an den Standorten Oberhausen und Sulzbach-Rosenberg dazu beigetragen, dass unser Projektpartner, die Evonik Operations GmbH in Hanau, den heterogenen Katalysator für die höhere Alkoholsynthese, beginnend mit der ersten Katalysatorgeneration, stetig weiter entwickeln konnte. Die aktuelle zweite Katalysatorgeneration weist im Vergleich zur ersten Katalysatorgeneration deutlich bessere Alkoholselektivitäten auf, bei gleichzeitiger Unterdrückung unerwünschter Reaktionsprodukte. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem wirtschaftlichen Produktionsverfahren höherer Alkohole aus Hüttengasen.

Thomas Wiesmann: In Carbon2Chem® haben wir es geschafft, viele Industriepartner und Forschungsinstitutionen an einen Tisch zu bringen, um gemeinschaftlich in einem Verbund das große Ziel einer klimafreundlicheren Stahlindustrie zu erreichen. Ich denke, der größte Vorteil eines solchen Verbundprojektes ist es, Kompetenzen aus verschiedenen technologischen Bereichen zu vereinen. Die Forschungsarbeit insgesamt kann so effektiver vorangetrieben werden, um schnellstmöglich wertvolle Schlüsseltechnologien für eine nachhaltigere Stahlindustrie bereitzustellen.

Bezogen auf die Katalysatorentwicklung konnten wir so den komplexen und aufwendigen Prozess gemeinsam angehen und zeitgleich mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf das gemeinsame Ziel eines neuen Katalysatorsystems hinarbeiten. Auf diese Weise ist es im Projektkonsortium gelungen, innerhalb von fünf Jahren die Basis für ein neuartiges Katalysatorsystem zur Synthese von Oxygenaten (Alkoholen) und Olefinen zu entwickeln.

Was waren Highlights?

Heiko Lohmann: Als UMSICHT-Projektleiter für das Teilprojekt L-IV ist für mich ein Highlight ganz klar das UMSICHT-Team, das an den Standorten Oberhausen und Sulzbach-Rosenberg mit großem Engagement die umfangreichen Katalysatortests durchführt. Die Kolleginnen und Kollegen kümmern sich nicht nur um Durchführung und Auswertung der Versuchsreihen, was bei der Vielzahl der erhaltenen Daten sehr komplex und zeitaufwändig ist, sondern sorgen auch dafür, die Testanlagen an die sich ändernden Anforderungen eines dynamischen Projekts anzupassen. Ein weiteres Highlight ist für mich die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit des Projektkonsortiums, in dem Industrie und Wissenschaft ihre Kompetenzen einbringen. Diese sehr gute Kooperation ist etwas Besonderes und die wichtige Basis, um die Ziele von Carbon2Chem® erreichen zu können.

Thomas Wiesmann: Als junger Ingenieur haben mich in der bisherigen Arbeit vor allem die technischen Prozesse, Versuchsanlagen und die analytischen Geräte begeistert. Zu Projektbeginn mussten wir innerhalb kurzer Zeit neue Versuchsstände planen, konturieren, Inbetriebnahmen vornehmen oder vorhandene Versuchsstände umbauen. Dass die ständige Weiterentwicklung und Optimierung dieser Geräte basierend auf den immer neuen Erkenntnissen einen so wesentlichen Platz einnimmt, hätte ich zu Beginn des Projektes nicht gedacht. Zurückblickend war/ist dies jedoch einer der wichtigsten Schlüsselbausteine, der es uns ermöglicht hat, im Bereich der Katalysatortestung so erfolgreich zu sein. Insbesondere im Bereich der Analytik haben wir es geschafft, durch ständige Verbesserungen das komplexe Produktspektrum der Katalysatoren zu erschließen und die damit verbundenen Rückschlüsse auf die Funktionsweise der Katalysatoren zu erhalten.

Was waren die größten Herausforderungen?

Heiko Lohmann: Die größten Herausforderungen unseres Teams liegen in der alltäglichen experimentellen Arbeit. Die Gewährleistung einer hohen Anlagenverfügbarkeit für die Katalysatortests erfordert, dass auftretende technische Defekte an den Anlagen oder notwendige Umbaumaßnahmen so schnell wie behoben bzw. realisiert werden. Auch die stetige Weiterentwicklung der begleitenden Analytik, um möglichst detailliert die Reaktionsprodukte zu erfassen, ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, der sehr zeitintensiv ist.  

Thomas Wiesmann: Im Bereich der Katalysatortestung lag die größte Herausforderung darin, viele Katalysatoren in kurzer Zeit zu untersuchen. Ein solches Verfahren bezeichnet man in der Fachsprache als Katalysator Screening. Ein Katalysator Screening bedingt stets den Spagat zwischen einer schnellen Testung vieler Katalysatoren und einer möglichst umfangreichen und genauen Analyse der Syntheseprodukte. Da wir in dem Projekt von Grund auf neue Katalysatorsysteme für diese Anwendung betrachtet haben, ist jede Stunde Versuchszeit wertvoll, um mehr über diese Systeme zu lernen. Die Zeiträume für Reparaturen, Wartungen oder Umbauarbeiten der Versuchsstände und Geräte müssen so kurz wie möglich gehalten werden, um möglichst wenig Versuchszeit zu verlieren.

Denn eins ist gewiss, so einzigartig und technisch ausgefeilt jeder unserer Versuchsstände auch sein mag, so komplex können auch auftretende technische Defekte sein. Man sieht also, wie zuhause die Spülmaschine oder Waschmaschine haben auch unsere Geräte mal das ein oder andere „Wehwehchen“, welches man dann schnell und systematisch finden und beheben muss.

Welche nächsten Schritte sind geplant?

Heiko Lohmann: Die nächsten Schritte sehen u.a. Katalysatortests unter anwendungsnahen Bedingungen vor. Hierzu gehören verstärkt Untersuchungen von Katalysatorformkörpern, wie sie später auch in einem technischen Prozess eingesetzt würden. Unser Schwerpunkt wird die Testung von Katalysatorformkörpern mit Modellgasen sein, um bspw. den Einfluss der Formgebung auf Stoff- und Wärmetransport zu betrachten

Thomas Wiesmann: Bisher ist es dem Projektkonsortium gelungen, ein geeignetes Katalysatormaterial/-pulver zu identifizieren und dieses in eine Formgebung zu überführen. Eine Formgebung ist nötig, da der Einsatz von Katalysatorpulvern in einem industriellen Maßstab zu hohe Druckverluste in den Reaktoren zur Folge hätte. Als letzter Schritt vor dem industriellen Einsatz steht daher nun die Untersuchung der Katalysatorformkörper an. Diese Untersuchungen sind sehr wichtig, da wir hiermit den Schritt von Laboranlagen (idealen Randbedingungen hinsichtlich Wärme- und Stofftransport) zu industrienahen Bedingungen machen. Wie im Labor werden diese Untersuchungen zunächst mit hochreinen Gasen aus Gasflaschen gemacht, bevor im letzten Schritt die Katalysatoren dann mit Realgas, d.h. gereinigten Gasen aus dem Stahlwerk in Duisburg, untersucht werden. Hier zeigt sich dann, ob es im Gesamtprojekt nicht nur gelungen ist, einen erfolgversprechenden Katalysator zu entwickeln, was allein aus wissenschaftlicher Sicht schon ein toller Erfolg wäre, sondern auch, ob es funktioniert, damit die Stahlherstellung nachhaltiger zu gestalten.