Vier Fragen an ...

... Dr.-Ing. Barbara Zeidler-Fandrich und Sungyoun Suh vom Fraunhofer UMSICHT

Interview vom 15.09.2021

Barbara Zeidler-Fandrich und Sung Youn Suh
Sungyoun Suh und Barbara Zeidler-Fandrich

Als Wissenschaftlerinnen des Fraunhofer UMSICHT arbeiten Sie in der angewandten Forschung und beschäftigen sich im Verbundprojekt mit der Gasreinigung und -nutzung und hier speziell mit der thermischen Katalyse. Was wurde aus dieser Perspektive betrachtet bislang in Carbon2Chem® erreicht?

Barbara Zeidler-Fandrich: Im Rahmen des Teilprojektes von Carbon2Chem® entwickeln wir verschiedene Verfahren zur Aufbereitung von Koksofengas. Neben der thermo- und plasmakatalytischen Entfernung von Spurensauerstoff aus dem Feedgasstrom der Druckwechseladsorption haben wir eine Electric Swing Adsorption (ESA) zur Abtrennung von hochsiedenden Kohlenwasserstoffen entwickelt. Wir adressieren hierbei Fragestellungen, für die es derzeit keine etablierten Verfahren gibt.

Daher wurde für jedes der von uns untersuchten Verfahren eine spezielle Versuchsanlage konzipiert und im Carbon2Chem®-Labor in Oberhausen aufgebaut. Im Betrieb mit synthetischen Koksofengasen konnte die prinzipielle Eignung aller drei Gasaufbereitungsverfahren nachgewiesen werden.

Sungyoun Suh: Im Teilprojekt L-III beschäftigen wir uns mit der Aufbereitung von Koksofengas. Die katalytische Vorreinigung ist für die anschließende Druckwechseladsorption notwendig, um den Spurensauerstoff zu entfernen. In der ersten Phase von Carbon2Chem® wurden drei Katalysatorsysteme für die Gasreinigung des synthetischen Koksofengases im Labormaßstab untersucht und evaluiert. In der Untersuchung wurde gezeigt, dass mit allen Katalysatorsystemen die Sauerstoffspuren signifikant reduziert werden können. Darüber hinaus wurden bereits katalytische Vergiftungs- und Regenerationsprozesse untersucht, in dem H2S als Katalysatorgift betrachtet wurde. Es hat sich gezeigt, dass ein Katalysator in mehreren Zyklen langfristig bei Anwesenheit von Katalysatorgift eingesetzt werden kann. Neben dem Edelmetallkatalysator sind die Nichtedelmetallkatalysatoren ebenfalls vielversprechend.

Was waren Highlights?

Barbara Zeidler-Fandrich: In jedem der drei untersuchten Verfahren haben wir während der bisherigen Projektlaufzeit ganz unterschiedliche Highlights gehabt. So konnten wir bei der Plasmakatalyse mit Nicht-thermischen Plasma nicht nur den erfolgreichen Nachweis erbringen, dass eine gezielte Umsetzung des Spurensauerstoffs stattfindet, sondern auch erste Schritte in Richtung Maßstabsvergrößerung gehen. Hierzu wurde ein skalierbarer Volumen-DBE-Versuchsreaktor im Stahlmantel gebaut und erfolgreich eingesetzt. Bei der Electric Swing Adsorption war eines der wichtigsten Highlights die Modifizierung der Elektrodengeometrie, die uns die gezielte Einstellung der Festbetttemperatur ermöglicht. Und bei der Thermokatalytischen Sauerstoffentfernung konnten wir nachweisen, dass auch die untersuchten Nichtedelmetallkatalysatoren prinzipiell für eine Sauerstoffentfernung aus Koksofengasen geeignet sind. Dies eröffnet uns die Möglichkeit zur Entwicklung eines wirtschaftlichen Verfahrens unter Einsatz kostengünstiger Katalysatormaterialien.

Sungyoun Suh: Erfolgserlebnisse hatten wir bei der Testung der Nichtedelmetallkatalysatoren, die bislang für die Sauerstoffentfernung nicht betrachtet wurden. Diese Katalysatormaterialien sind seit Jahrzehnten bekannt und werden in anderen Industrieprozessen bereits erfolgreich eingesetzt. Dennoch findet man immer wieder neue Anwendungen für solche kommerziellen Materialien. Im Vergleich zu dem Edelmetallkatalysator sind sie preisgünstiger und verbrauchen sogar sulfidische Komponenten.

Was waren die größten Herausforderungen?

Barbara Zeidler-Fandrich: Die größte Herausforderung waren die parallelen Arbeiten zur Entwicklung drei neuer Verfahren und die Unsicherheiten bzgl. der im Koksofengas enthaltenen Spurengaskomponenten. Es existieren zwar Veröffentlichungen zu diesem Thema, jedoch decken diese in der Regel nicht das gesamte Spektrum ab. Angaben hierzu liefern mittlerweile die Arbeiten des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion, die aber zum Zeitpunkt der Versuchsanlagenkonzipierung noch nicht vorlagen.

Sungyoun Suh: Die größten Herausforderungen bestanden darin, die Reaktionsmechanismen auf der Katalysatoroberfläche nachzuvollziehen und die optimalen Versuchsbedingungen für die Sauerstoffentfernung herauszufinden. Hierzu wenden wir komplexe spektroskopische Methoden an, um die aktiven sulfidischen Zentren zu identifizieren.

Ziel ist es, die Korrelation zwischen der Bildung der aktiven Spezies und der katalytischen Aktivität hinsichtlich der Sauerstoffentfernung herauszuarbeiten. Dabei tauchen hin und wieder technische Probleme auf und wir stoßen an die technischen Grenzen unserer Versuchsanlagen. Es ist nicht einfach die Balance zwischen der technischen Machbarkeit und den theoretischen Ideen zu halten.

Welche nächsten Schritte sind geplant?

Barbara Zeidler-Fandrich: Nachdem die prinzipielle Eignung aller drei Verfahren im Labormaßstab mit synthetischen Koksofengasen nachgewiesen wurde, ist nun eine Erweiterung der Gasmatrix um ausgewählte Spuren- und Nebengaskomponenten vorgesehen. Weiterhin werden spezifische Fragestellungen wie der Einfluss des Prozessdrucks oder schwankender Gasströme untersucht. Hiervon versprechen wir uns wichtige Erkenntnisse für die weitere Verfahrensentwicklung. Gleichzeitig erfolgt ein Scale-up in den Technikumsmaßstab und der Betrieb mit Realgasen im Carbon2Chem®-Technikum in Duisburg.

Sungyoun Suh: In der zweiten Projektphase werden die Versuche nicht nur im Labor, sondern auch im Technikum am Standort in Duisburg mit Realgasen durchgeführt. Das Verfahren wird dementsprechend hochskaliert und auf seine Anwendbarkeit unter realen Bedingungen evaluiert.

Für den Einsatz der Nichtedelmetallkatalysatoren werden weitere Versuche im Labormaßstab benötigt, um die komplexen chemischen Vorgänge zu verstehen und anschließend den Prozess zu optimieren. Hierzu werden wir parallel zu den Versuchen am Standort Duisburg im Labor in Oberhausen die Gasmatrix des synthetischen Koksofengases systematisch erweitern, indem wir weitere Katalysatorgifte wie COS oder aromatische Komponente hinzufügen.