Geothermale Papiertrocknung

Nachhaltiger Prozessdampf aus Tiefengeothermie

Geothermale Prozessdampferzeugung

Substitution des konventionell mit KWK-Anlagen erzeugten Prozessdampfes durch Nutzung erneuerbar Wärme aus tiefer Geothermie.

Bohranlage des Fraunhofer IEG

Eine Erkundungsbohrung ermöglicht die geologische Untersuchung von Bohrkernen und gibt Aufschluss über die im Untergrund anzutreffenden Gesteinsschichten.

Papiermaschine

Für der Herstellung von Papier werden große Mengen an Prozessdampf zur Trocknung der Papierbahnen benötigt.

Projektziele: Verfahrensrouten zur Prozessdampferzeugung mit erneuerbarer Wärme entwickeln

Industrieller Prozessdampf stellt in der Papierbranche neben Strom den wichtigsten Energieträger dar. Im Rahmen der Initiative »Kabel ZERO« wird eine innovative Dampferzeugung auf Grundlage der tiefen Geothermie angestrebt, um fossile Brennstoffe zu substituieren. Mit dem geförderten F&E-Projekt »Geothermale Papiertrocknung« werden die ersten Schritte auf diesem Weg beschritten. Es werden geologische Untersuchungen – inklusive einer seismischen Erkundung und einer Erkundungsbohrung – am Standort der Kabel Premium Pulp & Paper GmbH in Hagen durchgeführt sowie Verfahrensrouten zur Prozessdampferzeugung auf Basis erneuerbarer Wärme aus dem Erdreich entwickelt und analysiert.

Nutzen: Optimierung der Energieeffizienz des Papierherstellungsprozesses

Die Papierindustrie ist eine der fünf energieintensivsten Branchen in Deutschland. Insbesondere für die Trocknung feuchter Papierbahnen werden große Mengen an Prozessdampf im Temperaturbereich von 100 bis 200 °C benötigt. Üblicherweise wird dieser Prozessdampf durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern (Erdgas, Kohle, Heizöl) bereitgestellt. Da die Optimierung der Energieeffizienz des Papierherstellungsprozesses zunehmend an seine physikalischen und betriebswirtschaftlichen Grenzen stößt, sind innovative Ansätze wie etwa erneuerbare Wärme gefragt, um die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren. Diese Problematik findet sich auch in anderen Industriezweigen wieder – zum Beispiel in der Chemiebranche.

Das Dilemma der Wärmewende in der deutschen Industrie liegt in der mangelnden Nutzbarkeit vieler erneuerbarer Energien für die Erzeugung erneuerbarer Wärme auf dem notwendigen Temperaturniveau. Grundsätzlich in Frage kämen Biogas- oder Biomassefeuerungen, erneuerbare Gase (Wasserstoff oder EE-Methan), solarthermische Anlagen, Geothermie oder Power-to-heat (Wärmepumpen bzw. Elektroheizungen). Die weite Verbreitung ist bisher aber keiner dieser Technologien gelungen – sei es aus Kostengründen, mangelndem Dargebot oder mangelnder Stetigkeit. So macht der Wärmebedarf zwar 70 bis 75 % des Endenergieverbrauches der deutschen Industrie aus, erneuerbare Wärme hat am Endenergieverbrauch jedoch nur einen Anteil von 4,3 %.

Speziell die Geothermie hat aufgrund ihrer Grundlastfähigkeit das Potenzial, größere Anteile des Wärmebedarfes zu decken. Hierbei steht insbesondere der Temperaturbereich bis 200 °C im Fokus, auf den etwa 30 % des industriellen Prozesswärmebedarfs entfallen. Geologische Standorte mit ausreichend hohen Temperaturen zur direkten Prozessdampferzeugung in ausreichender Qualität für industrielle Prozesse sind in Deutschland jedoch rar. Somit sind Verfahren notwendig, um das Geofluid beziehungsweise den erzeugten Dampf aufzuwerten. Im Zuge des UMSICHT-Teilprojektes werden hierzu mögliche Verfahrensrouten entwickelt und analysiert sowie für den Pilotstandort Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP) in Hagen bewertet.

Projektergebnisse: Tiefengeothermie eignet sich als grundlastfähige, erneuerbare Energie für die industrielle Prozesswärme- und Prozessdampfbereitstellung

Im Rahmen des Forschungsprojektes »Geothermale Papiertrocknung« wurde erfolgreich überprüft, wie Erdwärme am Standort des Papierwerks Kabel technisch und wirtschaftlich sinnvoll in die Papiertrocknung einzubinden ist und importierte, fossile Energieträger wie Erdgas ersetzen kann. Die Projektpartner lieferten relevante Erkenntnisse als Basis zur weiteren Entwicklung des industriellen Einsatzes erneuerbarer, tiefengeothermaler Wärme.

Innerhalb des Teilvorhabens Integration in die Prozesse der Papierindustrie definierte Kabel Premium Pulp & Paper Rahmenbedingungen und Anforderungen aus Anwender- und Industriesicht. Im Fokus: die fortlaufende Synchronisation der Rahmenbedingungen hinsichtlich der energetischen und produktionstechnischen Prozesse sowie die Betrachtung der räumlichen Gegebenheiten auf dem Werksgelände.

Innerhalb des Teilvorhabens Geothermische Erkundung und Erschließungskonzept wurde durch das Fraunhofer IEG die geologische Formation des devonischen Massenkalkes und dessen Nutzung als hydrothermales Reservoir untersucht. Die Ergebnisse der durchgeführten 2D‐seismischen Messungen zeigen Hinweise, dass der Massenkalk im Bereich des Betriebsgeländes des Papierwerkes in für die geothermische Prozesswärmenutzung geeigneten Tiefen von 2,6 bis 3,6 km vorliegt. Im Rahmen sowohl einer ersten flachen Erkundungsbohrung im nahegelegenen Steinbruch Steltenberg als auch von Laboruntersuchungen an Massenkalkproben konnten wichtige Daten zu den Reservoireigenschaften ermittelt werden. Insbesondere konnte eine starke (hydrothermale) Dolomitisieriung durch die Lage im Bereich des Großholthausener Sprungs und der Ennepe-Überschiebung nachgewiesen werden. Auf Grundlage der ermittelten Reservoirparameter wurden analytische und numerische thermo‐hydraulisch‐mechanische Modellierungen hinsichtlich der möglichen thermischen Entzugsleistungen und des geomechanischen Verhaltens durchgeführt. Für die weitere untertägige Exploration am Standort wurde auf Grundlage der in den o.g. Untersuchungen gewonnenen Strukturdaten ein geologisches Vorprofil erstellt sowie ein Bohrkonzept für eine erste tiefe Erkundungsbohrung entwickelt.

Innerhalb des Teilvorhabens Verfahrensentwicklung zur Prozessdampferzeugung konnte Fraunhofer UMSICHT nachweisen, dass sich die Tiefengeothermie als grundlastfähige, erneuerbare Energie in hohem Maße für die industrielle Prozesswärme- und Prozessdampfbereitstellung eignet. Für die Aufwertung tiefengeothermaler Wärme zu industriell nutzbarem Prozessdampf konnte eine große Bandbreite an möglichen Verfahrensrouten entwickelt und identifiziert werden. Die grundsätzliche technische Realisierbarkeit einer Nutzung in der gesamten Papierindustrie (Prozessdampf mit 100–240 °C) konnte für die betrachtete Bandbreite an in Deutschland erwartbaren Reservoirtemperaturen (90–180 °C) nachgewiesen werden. Die Vielzahl an möglichen Verfahrensrouten erfordert dabei eine für den jeweiligen Anwendungsfall individuell durchzuführende Bewertung und Auswahl. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des Vorhabens eine kennzahlbasierte Bewertungsmethodik entwickelt und in die genutzten Simulationsmodelle integriert.

Die erarbeiteten Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse des Vorhabens lassen sich auf andere Standorte der Papierindustrie übertragen und durch Weiterentwicklung der Modelle und Methoden sowohl auf andere Branchen als auch andere Wärmequellen adaptieren. Mit der räumlichen Nähe von aufgeschlossenem, für geowissenschaftliche Untersuchungen zugänglichem Massenkalk im Steinbruch Steltenberg in Hagen und dem nur ca. 9 km nördlich vom Aufschluss gelegenen Standort des KPPP‐Papierwerkes besteht in der Region Hagen eine derzeit einzigartige Konstellation für eine risikoarme Erkundung der Reservoirformation des Massenkalks in NRW. Das Konzept zur Nutzung der charakteristischen Sprungtektonik und deren Störungssysteme im Bereich des devonischen Massenkalks kann nach erfolgreicher Erkundung im Raum Hagen auf das Gebiet Rhein‐Ruhr angewandt, übertragen und weiter erkundet werden. Die (Weiter-)Entwicklung und Optimierung vielversprechender Verfahrensrouten und deren technologischen Teilkomponenten und -systemen zur Aufwertung tiefengeothermaler Wärme zu industriell nutzbarer Prozesswärme adressiert ein breites Anwendungsfeld und sollte daher weiter vorangetrieben werden.

Projektpartner von Geothermale Papiertrocknung

  • Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG
  • Kabel Premium Pulp & Paper

 

Förderung

Europäische Union + EFRE.NRW

 

Laufzeit: Februar 2020 bis März 2023

Förderkennzeichen: EFRE-0801841

Website: www.efre.nrw.de